Die Company
Wagen zu bleiben. Er und Anthony gingen über eine schmale Brücke, die dem Geruch nach über einen Abwasserkanal führte. »Wir treffen uns hier mit dem Löwen von Panjshir, Ahmed Schah Massud«, erklärte Manny. »Er ist ein Tadschike aus dem Panjschir-Tal, das sich von Kabul nach Norden bis an die tadschikische Grenze erstreckt. Seine Leute tragen die Hauptlast des Kampfes gegen die Russen – die sechs anderen Widerstandsgruppen sind zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig zu bekämpfen.«
»Wieso liefern wir dann die Waffen nicht direkt an ihn?«, fragte Anthony.
»Der pakistanische Geheimdienst, der ISI, hat sich die Verteilung amerikanischer Lieferungen unter den Nagel gerissen. Und im Grunde haben die ganz andere Interessen – die wollen, dass der Krieg mit einem fundamentalistischen Afghanistan endet, das ihnen gegen Indien den Rücken stärkt.«
»Ich merke schon, ich muss noch einiges lernen«, sagte Anthony.
»Die Company muss noch einiges lernen«, sagte Manny. »Ich hoffe, der Bericht, den du schreibst, wird ihnen in vielerlei Hinsicht die Augen öffnen.«
Drinnen hockte eine Frau in einer lakenähnlichen Burka vor einem offenen Holzfeuer, über dem verschiedene Kessel hingen. In einer Ecke bekam gerade ein afghanischer Kämpfer eine Zahnbehandlung von einem herumreisenden Zahnarzt. Ein Junge strampelte auf einem Standfahrrad und trieb so den Riemen für den Bohrer an, den der Zahnarzt in der Hand hielt. »Sieh zu, dass du hier keine Zahnschmerzen kriegst«, warnte Manny. »Die Löcher werden nämlich mit Schrotkugeln gefüllt.«
Sie kletterten die enge Stiege in das Privatzimmer im ersten Stock hinauf. Zwei Leibwächter von Massud standen vor der Tür. Aus unerfindlichen Gründen grinsten die zwei bis über beide Ohren. Der Größere von ihnen hielt eine alte MP-44 in den Armen, der andere hatte eine riesige tschechische Pistole im Hosenbund stecken und hielt einen kleinen Bambuskäfig mit einem gelben Kanarienvogel in der Hand.
»Der Kanarienvogel ist das Frühwarnsystem des afghanischen Widerstands«, erklärte Manny.
»Wogegen denn?«
»Der Vogel fällt beim ersten Hauch von der Stange, falls die Russen chemische oder biologische Waffen einsetzen.«
Massud, ein dünner, bärtiger Mann mit offenem Blick und einem engelhaften Lächeln, erhob sich, um die Leiter der CIA-Dienststelle in Peschawar zu begrüßen. »Manny, mein Freund«, sagte er, reichte ihm die Hand und zog ihn ins Zimmer. Er deutete einladend auf die Teppiche, die überall verteilt waren. »Ich bin sehr froh, Sie wieder zu sehen.«
Manny begrüßte Massud auf Dari und wechselte dann die Sprache, damit Anthony dem Gespräch folgen konnte. »Ich möchte Ihnen meinen Kameraden Anthony McAuliffe vorstellen«, sagte Manny. Massud nickte kurz, reichte ihm aber nicht die Hand. Als die Besucher auf den Teppichen Platz nahmen, trat ein junges Mädchen mit Kopftuch schüchtern näher und füllte zwei Blechtassen mit Khawa, dem wässrigen grünen Tee, der hier überall getrunken wurde.
Eine Viertelstunde lang machte Massud Smalltalk. Er berichtete Manny von Frontverschiebungen in Afghanistan, zählte Kämpfer auf, die seit ihrem letzten Treffen vor drei Monaten getötet oder verwundet worden waren, und beschrieb einen waghalsigen Angriff, den er gegen einen sowjetischen Luftwaffenstützpunkt geführt hatte, bei dem sie drei Hubschrauber in die Luft gejagt und einen russischen Oberst gefangen genommen hatten. Manny wollte wissen, was aus dem Russen geworden war. »Wir haben angeboten, ihn gegen zwei Mudschaheddin auszutauschen, die bei dem Angriff in Gefangenschaft geraten waren«, sagte Massud. »Die Russen schickten sie uns lebend zurück, beide waren auf Packtiere geschnallt, und beiden hatte man die rechte Hand abgehackt.« Massud zuckte die Achseln. »Wir haben ihnen den Oberst im gleichen Zustand zurückgeschickt.«
Bei Einbruch der Dämmerung wurden an den Verkaufsständen Holzöfchen angezündet, und eine rußige Dunkelheit senkte sich über den Basar. Massud ließ sich noch eine Tasse Tee eingießen und kam dann zur Sache. »Ich habe folgendes Problem, Manny«, begann er. »Die modernen Waffen, die ihr dem pakistanischen Geheimdienst schickt, landen bei der pakistanischen Armee, die dann ihre alte Ausrüstung an die Mudschaheddin weitergibt. In den letzten Monaten ist die Situation noch schlimmer geworden, weil die Russen neuerdings Erkundungsflugzeuge einsetzen, um die Feuerkraft ihrer Kampfhubschrauber zu
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