Die Company
wichtige Meldung unterbrochen wurde. Maria-Jesus übersetzte für Starik. Laut bislang unbestätigten Berichten habe Papst Johannes Paul I., aus seiner Zeit als Patriarch von Venedig unter seinem bürgerlichen Namen Albino Luciani bekannt, in der Nacht eine Herzattacke erlitten. Er habe die Sterbesakramente erhalten, was Anlass zu der Vermutung gab, dass der Papst nach nur vierunddreißigtägiger Amtszeit entweder tot sei oder im Sterben liege. Es hieß, Kardinäle aus ganz Italien seien bereits auf dem Weg zum Vatikan. Als das Radioprogramm fortgesetzt wurde, erklang ernste Trauermusik. Sobald die Wladimir Iljitsch abgelegt hatte, hob Starik erneut das Fernglas vor die Augen. Das Fischerboot war bereits weit entfernt; nur die Lichter an seinem Mast waren noch zu sehen. Plötzlich ertönte eine gedämpfte Explosion, nicht lauter als ein stotternder Motor kurz vor dem Anspringen. Durch das Fernglas sah Starik, wie der Mast zur Seite kippte und dann verschwand.
Starik sog die Seeluft ein, während er Maria-Jesus den Nacken kraulte. Wie sehnte er sich jetzt nach einer bulgarischen Zigarette; auf Anraten seines Arztes hatte er kürzlich das Rauchen aufgegeben. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass das Leben ja noch andere Freuden bot. Der Bote war im Meer bestattet, und der Papst, der aus seiner Absicht keinen Hehl gemacht hatte, den Geldwaschaktivitäten der Vatikanbank ein Ende zu bereiten, würde die Geheimnisse von CHOLSTOMER mit ins Grab nehmen.
V
Sackgasse
»Seht doch! «, rief sie und deutete aufgeregt in die Ferne.
» Da läuft die Weiße Königin übers Land!
Direkt aus dem Walde dort kam sie herausgeflogen –
wie schnell diese Königinnen doch rennen können! «
» Es wird wohl wieder einmal ein Feind hinter ihr her sein «, sagte der König und drehte sich nicht einmal um dabei.
» Davon wimmelt’s in dem Wald dort drüben nur so. «
LEWIS CARROLL, Alice hinter den Spiegeln
Foto: Die Schwarzweißaufnahme eines Amateurs, die es auf die Titelseiten der Weltpresse schaffte, zeigt zwei amerikanische Geiseln, die irgendwo in Afghanistan von Kommandant Ibrahim, dem legendären Anführer der fundamentalistischen Splittergruppe Islamischer Dschihad gefangen gehalten werden. Die junge Frau, eine bekannte Fernsehjournalistin namens Maria Shaath, betrachtet ihre Bewacher mit einem ungeduldigen Lächeln; einer ihrer Produzenten in New York sagte, sie habe ausgesehen, als hätte sie Angst, einen Abgabetermin zu verpassen. Neben ihr, den Rücken zu einem Plakat des Felsendoms in Jerusalem, steht der junge Amerikaner, der vom Islamischen Dschihad als CIA-Offizier identifiziert wurde und von dem die US-Regierung behauptet, er sei Attaché am amerikanischen Konsulat in Peschawar, Pakistan. Der Amerikaner starrt mit einem kühlen, sardonischen Grinsen in die Kamera. Beide Geiseln sehen nach Wochen der Gefangenschaft blass und müde aus.
1 Peschawar,
Donnerstag, 13. Oktober 1983
A
uf dem sandigen Spielfeld neben dem riesigen Flüchtlingslager Kachagan war so viel Staub aufgewirbelt worden, dass die Zuschauer auf ihren Holzbänken zuerst das Hufgetrappel hörten, bevor sie die Pferde sahen. »Die Paschtunen nennen das Spiel buzkashi – wörtlich ›Ziegen schnappen‹«, erklärte Manny. Er musste Anthony ins Ohr schreien, um sich beim Gejohle der Menge verständlich zu machen. Auf dem Feld rangen zwanzig Reiter wild durcheinander um irgendetwas, das auf den Boden gefallen war und das sie, tief herabgebeugt aus ihren Sätteln, an sich zu reißen versuchten. »Es ist quasi eine rauere Version von Polo«, fuhr Manny fort. »Sie werfen eine kopflose Ziege aufs Feld. Alles ist erlaubt, nur keine Messer. Punkte kriegt die Mannschaft, der es als Erste gelingt, die Ziege in einen markierten Kreis zu werfen.«
»Wie lange dauert das Ganze?«, erkundigte sich Anthony, der gerade aus Islamabad eingetroffen war und noch den durchgeschwitzten Khakianzug trug, in dem er gereist war.
Manny musste lachen. »Das geht ohne Unterbrechung so lange, bis Pferde oder Reiter vor Erschöpfung zusammenbrechen.«
Anthony McAuliffe war dreiundzwanzig Jahre alt, groß, schlaksig, mit offenen, markanten Gesichtszügen und einem flammend roten Haarschopf, das Ebenbild seines Vaters Jack. Er blickte über das Feld zu den jungen Männern hinüber, die auf einem Holzzaun saßen, Joints weiterreichten (Manny hatte gesagt, dass es Joints waren) und ihr Team anfeuerten. Plötzlich kamen ihm die Uni, die Grundausbildung
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