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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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zwischen den Bäum en durchzwängen könnte. Wenn sie nur nicht so mit den Flügeln schlagen wollte – das bläst ja wie ein richtiger Wirbelwind durch den Wald … ‹«
    Die Nichten, die sich eng aneinander kuschelten, seufzten wie aus einem Munde. »Bitte, bitte, lies noch was«, flehte Revolución.
    »Ja, Onkel, du musst noch was lesen, sonst können wir nicht schlafen vor Angst«, sagte Axinja.
    »Wenn du uns nichts mehr vorlesen willst«, fiel die engelhafte blonde Tscherkessin mit ein, »dann musst du aber noch ganz lange bei uns bleiben.«
    Starik wollte vom Bett aufstehen. »Tut mir Leid, aber ich muss noch Akten lesen«, sagte er.
    »Bleib, bleib, bitte bleib«, riefen die Mädchen zusammen. Und sie klammerten sich verspielt an den Saum seines Nachthemds.
    Lächelnd machte Starik sich frei. »Damit ihr müde werdet, Mädchen, müsst ihr tiefer in das Wunder von Alice’ Wunderland eintauchen.«
    »Wie sollen wir das denn machen, wenn du uns nichts mehr vorliest?«, fragte Revolución.
    »So schwierig ist das nicht«, versicherte Starik ihnen. Er beugte sich über den Nachttisch und blies die Kerze aus, so dass es im Raum stockdunkel wurde. »So, jetzt versucht alle mal ganz fest, euch vorzustellen, wie die Flamme einer Kerze aussieht, nachdem die Kerze ausgeblasen wurde.«
    »Ich kann sie sehen!«, rief die blonde Tscherkessin.
    »Ja, sie ist ganz schön«, stimmte Revolución zu, »ich seh sie mit geschlossen Augen.«
    »Die Flamme der ausgeblasenen Kerze sieht genau so aus wie das Licht eines Sterns in der Ferne, um den herum Planeten kreisen«, sagte Axinja verträumt. »Einer von den Planeten ist ein Wunderland, wo kleine Nichten Spiegelkuchen essen und sich an Sachen erinnern, die in der übernächsten Woche passiert sind.«
     
     

Zwischenspiel
    Der Kalabrier
    Alice dachte schaudernd: » Nicht um alles hätte ich
    das für ihn ausrichten mögen! «
     
    LEWIS CARROLL, Alice hinter den Spiegeln

Civitavecchia,
Donnerstag, 28. September 1978

    U
    m sechs Uhr vierzig machten die Matrosen unter einem düsteren morgendlichen Himmel die Leinen los, und die Wladimir Iljitsch legte ab. Ein Pfiff ertönte, und die sowjetische Flagge am Heck wurde gehisst. Ein italienischer Schlepper zog den Frachter, der Fiat-Motoren, schwere Drehmaschinen und Kühlschränke geladen hatte, aus dem Hafen, warf dann die Trossen ab, und das Schiff glitt hinaus auf die offene See. Auf der Brücke, achtern vom Ruderhaus, stand eine schlanke Gestalt mit einem dünnen weißen Bart und sah zu, wie die italienische Küste sich in eine schwache Linie am Horizont verwandelte. Starik war seit Mitternacht auf den Beinen und hatte sich im Lagerhaus mit endlosen Tassen Espresso wach gehalten, während er darauf wartete, dass ihm der Bote die Nachricht überbrachte, dass die Bedrohung für CHOLSTOMER beseitigt worden war. Um siebzehn Minuten nach drei Uhr morgens hatte ein schmutziges Fiat-Taxi vor der Seitentür gehalten. Der Kalabrier, der deutlich hinkte, war ins Lagerhaus gekommen. Er hatte Starik zugenickt und gesagt: » La cosa è fatta. « Stariks Nichte Maria-Jesus, die halb Italienerin, halb Serbin war, hatte übersetzt: »Er sagt, die Sache ist erledigt.«
    Aus den tiefen Taschen seines Dominikanerhabits holte der Kalabrier das kleine Metallkästchen mit der Spritze, das Glas mit den Resten vergifteter Milch, das Fläschchen, in dem Milch ohne Betäubungsmittel gewesen war, die Gummihandschuhe und den Dietrich und legte alles auf einen Tisch. Dann reichte er dem Russen eine braune Akte, auf deren Deckel das Wort CHOLSTOMER geschrieben stand. Starik winkte mit einem Finger, und das Mädchen übergab dem Kalabrier eine Segeltuchtasche, die eine Million Dollar in gebrauchten Scheinen enthielt. Der Kalabrier öffnete die Tasche und befühlte die Geldbündel, die jeweils mit einem dicken Gummiband zusammengehalten wurden. »Wenn Sie meine Dienste wieder benötigen«, sagte er, »so wissen Sie ja, wie Sie mich finden.«
    Während auf der Wladimir Iljitsch noch die Vorbereitungen zum Auslaufen getroffen wurden, legte ein kleines Fischerboot von einem Kai in der Nähe ab und nahm Kurs auf Palermo. An Bord waren der Kalabrier und sein korsischer Taxifahrer. Starik spähte durch ein Fernglas und sah die beiden an Deck stehen; einer von ihnen schützte die Flamme eines Streichholzes mit der hohlen Hand, damit der andere eine Zigarette anzünden konnte. Das Radio im Ruderhaus spielte venezianische Mandolinenmusik, die plötzlich für eine

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