Die Company
und die erste Zeit in Langley wie Geschichten aus einer anderen Welt vor. Hinter den Zuschauern ahmten halb nackte Kinder die berittenen Erwachsenen nach und stritten sich um ein totes Huhn. Jenseits des Spielfelds konnte Anthony endlose Reihen von Lehmhütten sehen. In Islamabad hatte man ihm gesagt, seit Beginn des Dschihad gegen die russischen Invasoren fast vier Jahre zuvor seien so viele Flüchtlinge über die Bergpässe aus Afghanistan gekommen, dass die internationalen Hilfsorganisationen es aufgegeben hatten, sie zu zählen.
Manny hatte wohl den Ausdruck auf Anthonys Gesicht gesehen. »Kulturschock ist heilbar«, bemerkte er. »In einer Woche kommt dir das alles hier ganz normal vor.«
»Deswegen mache ich mir ja gerade Sorgen«, entgegnete Anthony.
Einer von Mannys Leibwächtern, ein bärtiger Einheimischer in dicker Wollweste, der ein juwelenbesetztes Messer im Gürtel und eine zweiläufige Schrotflinte unter dem Arm trug, tippte auf seine Uhr. Manny führte Anthony vom Spielfeld weg Richtung Parkplatz. Der zweite Leibwächter, ein wahrer Riese mit schwarzem Turban, bildete die Nachhut. Mannys Fahrer, der mit einem Joint zwischen den Lippen hinter dem Lenkrad des alten Chevrolet zusammengesunken war, wurde wach. »Wohin, Chef?«, fragte er.
» Khyber-Tearoom im Schmugglerbasar«, sagte Manny, während er und Anthony sich auf den Rücksitz fallen ließen. Ein Leibwächter schob sich neben Manny, der andere auf den Beifahrersitz.
»Wo hast du denn die Jungs aufgelesen?«, raunte Anthony. »In Hollywood?«
»Sie sind beide Afridis, der Stamm, der den Khyber-Pass kontrolliert«, antwortete Manny. »Der mit dem Messer im Gürtel hat früher Russen die Gurgel durchgeschnitten.«
»Wieso bist du so sicher, dass er uns nicht auch die Gurgel durchschneidet?«
»Bin ich gar nicht.« Manny klopfte auf sein Schulterhalfter unter der Jacke. »Deshalb hab ich ja immer ›Betsy‹ dabei.«
Der Fahrer scheuchte unablässig hupend Fahrräder, Rikschas und Eselskarren beiseite und bog auf die Grand Trunk Road Richtung Westen. Sie überholten einen alten deutschen Bus, über dessen Frontscheibe noch immer »Düsseldorf – Bonn« stand, und mehrere altersschwache Diesellastwagen. Manny deutete auf die Straße vor ihnen. »Der Khyber-Pass fängt zwanzig Kilometer weiter an – Darius’ Perser, Alexanders Griechen, Tamerlans Tataren, Baburs Moguln, alle haben sie ihn überquert.«
»Und jetzt sind wir an der Reihe«, sagte Anthony.
An einem Kontrollpunkt hielten bewaffnete Infanteristen den Wagen an. Ein Soldat auf einem Pick-up am Straßenrand richtete sein Maschinengewehr auf den Chevrolet. »Pakis«, murmelte Manny. »Sie kontrollieren die Straße, aber fünfzig Meter rechts und links davon hört ihre Befugnis auch schon auf. Dahinter haben die Bergstämme das Sagen.«
Ein pakistanischer Soldat, der mit seinem Schnurrbart und den langen Koteletten aussah wie ein britischer Feldwebel, bellte: »Ausweispapiere.«
Manny angelte ein paar glatte Zwanzig-Dollar-Scheine aus der Tasche und reichte sie durchs Fenster. Der Soldat nahm das Geld und zählte es gemächlich ab. Offensichtlich war er zufrieden, denn er salutierte und winkte den Wagen durch.
Der Schmugglerbasar war ein Labyrinth von kleinen Verkaufsständen, wo alles Erdenkliche feilgeboten wurde. Überall sah Anthony Zeugnisse des Krieges: Männer mit fehlenden Gliedmaßen humpelten an Holzkrücken, ein junges Mädchen winkte mit einem Armstumpf eine Rikscha herbei. Jeeps mit bärtigen, Waffen schwingenden Mudschaheddin brausten Richtung Khyber-Pass und Afghanistan, Rettungswagen mit Verwundeten und Sterbenden rasten mit heulenden Sirenen zurück nach Peschawar. Auf einem freien Stück zwischen den Ständen boten Waffenhändler ihre Waren an. Es gab israelische Uzis und amerikanische M-l, die russische und die chinesische Version des AK-47 und alle möglichen Sorten Pistolen. Zwei Syrer hatten Maschinengewehre aus dem Zweiten Weltkrieg auf Strohmatten ausgelegt. Maultiere, bepackt mit grünen Munitionskisten, waren vor einem mit schlammigem Wasser gefüllten Trog angebunden. Afghanische Kämpfer mit umgehängten Sturmgewehren schlenderten durch den Basar, verglichen Waffen und feilschten um die Preise.
Der Chevrolet bog in eine mit Schlaglöchern übersäte Seitenstraße und holperte bis zu einem zweistöckigen Holzhaus; auf einem Schild über der Tür stand: »Letzter trinkbarer Tee vor dem Khyber-Pass«. Manny signalisierte seinen Leibwächtern, beim
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