Die Company
seinen Gefangenen, dann nickte er den beiden Männern zu, die seine Arme festhielten. Ganz langsam und vorsichtig lockerten sie ihren Griff. Anthony holte tief Luft. Tränen standen ihm in den Augen, als er den Blick abwandte und sich fest in den Ärmel biss. Als es vorbei war, drückte Ibrahim selbst einen Lappen auf die offene Wunde, um die Blutung zu stillen. » El-hamdoulillah «, sagte er. »Du könntest ein Muslim sein.«
Fünf Tage später, als Ibrahims Gefangene gerade ihren Morgenspaziergang machten – Anthony ging humpelnd an einer behelfsmäßigen Krücke –, trieben zwei Beduinen eine Reihe von Maultieren, mit Holzkisten beladen, durch das Haupttor. Ein dunkelhäutiger Mann mit einem langen Spitzbart, einer verspiegelten Sonnenbrille und einer Baseballmütze auf dem Kopf, unter die er hinten ein Taschentuch geklemmt hatte, um den Nacken vor der Sonne zu schützen, folgte ihnen. Die Männer begannen sofort, ihre Ware abzuladen. Binnen Minuten hatten sie ein ganzes Sortiment an Waffen auf Matten ausgebreitet: chinesische Sturmgewehre, amerikanische Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg, deutsche Maschinenpistolen und grüne Minen zur Panzerabwehr mit amerikanischen Kennnummern. Ibrahim trat, gefolgt von seinem Schatten, aus einem der Steinhäuser vor der Felswand und unterhielt sich mit dem dunkelhäutigen Mann. Es wurde Tee gebracht, und die beiden ließen sich auf einer Matte nieder, um Preise und die Währung auszuhandeln, in der die Ware bezahlt werden sollte. Schließlich wurden sie handelseinig und reichten einander die Hände. Als der Waffenhändler aufstand, bemerkte er die beiden Gefangenen, die ihnen aus einiger Entfernung zuschauten, und er schien sich bei seinem Gastgeber nach ihnen zu erkundigen. Ibrahim blickte herüber und sagte dann etwas, das den Waffenhändler veranlasste, in Anthonys Richtung zu schauen und auf die Erde zu spucken.
»Ich glaube, Ibrahims Besucher mag uns nicht«, sagte Anthony zu Maria.
»Er sieht aus wie ein Falascha «, sagte Maria. »Ich würde zu gerne wissen, was ein äthiopischer Jude so weit weg von zu Hause zu suchen hat.«
Die Frau, die mit einem starken osteuropäischen Akzent sprach, hielt Eugene wieder mit unwichtigem Geplauder so lange am Telefon wie nur eben möglich. Er müsse verstehen, sagte sie, dass seine Anrufe die einzigen Lichtblicke in ihrem ansonsten trostlosen Leben seien. Sie habe nur ihren Freund Silvester und sei ansonsten ganz allein auf der Welt. Wenn dann das Telefon klingelte und sie Eugenes Stimme hörte, ja, dann sei das so, als ob die Sonne kurz durch die Wolken brechen würde und man blinzeln müsse, um nicht vom Licht geblendet zu werden. Ach je, nein, es mache ihr nichts aus, dass sie sich nach jedem Anruf eine neue möblierte Wohnung suchen müsse. Im Laufe der Jahre sei das mehr oder weniger Routine geworden. Und sie wisse ja, wie wichtig es für Eugenes Sicherheit sei, dass er sie nie zweimal unter derselben Nummer anrief. Danke der Nachfrage, ja, es ging ihr einigermaßen gut, unter den gegebenen Umständen … Womit sie sagen wollte, sie war ja nun nicht mehr die Jüngste, und von der Strahlenbehandlung bekam sie Schwindelanfälle und Übelkeit, und ihre Verdauung ließ natürlich auch zu wünschen übrig, wegen des Darmtumors, obwohl die Ärzte ihr versicherten, dass Krebsgeschwülste bei alten Menschen nur sehr langsam wuchsen … Ach, sie erinnerte sich noch an eine ferne Vergangenheit, als Männer ihr sagten, sie sei außergewöhnlich attraktiv, aber sie erkannte sich selbst nicht mehr wieder, wenn sie die gezackten und vergilbten Fotos in ihrem Album betrachtete – ihr Haar hatte die Farbe von Zement angenommen, ihre Augen waren tief in die Höhlen gesunken, sie war sogar kleiner geworden. Dass er gefragt hatte, machte ihr gar nichts aus; ganz im Gegenteil, Eugene war der Einzige, der ein persönliches Interesse an ihr zeigte … Er sollte sie bitte nicht missverstehen, sie erwartete keine Orden, aber eingedenk ihrer jahrzehntelangen treuen Dienste wäre ein kleines Wort der Anerkennung, nur dann und wann mal, doch wohl nicht zu viel verlangt gewesen … Ach ja, sie mussten wohl zur Sache kommen. Ihr war aufgetragen worden, Eugene zu sagen, dass sein Mentor ihn bitte, ein persönliches Treffen mit SASHA zu organisieren … je eher, desto besser … Er würde verstehen, wieso, wenn er das Material aus SILKWORM eins sieben holte … Sie kam wieder ins Plaudern. Wie sehr sie doch hoffte, dass er immer gut auf sich
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