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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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verspottet, zischte sie an: »Was wisst ihr Westler schon von Zwiebeln? Hier hat schon jeder irgendwann einmal schwer gelitten.«
    In der Hoffnung, Ibrahim irgendwelche biografischen Informationen entlocken zu können, fragte Anthony: »Sprechen Sie aus persönlicher Erfahrung?«
    Ibrahims Blick verfinsterte sich, und er starrte zum Fenster hinaus. »Es war Mitte der Siebzigerjahre«, begann er. »Da wurde ich in Teheran vom iranischen SAVAK verhaftet, weil sie irrtümlich glaubten, ich würde für den irakischen Geheimdienst arbeiten. Das Furchtbare dabei war, dass ich die Antworten auf ihre Fragen nicht kannte und deshalb drei Tage und Nächte gefoltert wurde. Noch heute spüre ich manchmal, wie die Zangen die Nerven in meinem rechten Arm zerquetschen und der Schmerz mir ins Gehirn schießt, und dann muss ich die Lippen zusammenpressen, um nicht aufzuschreien.« Schweißperlen traten auf Ibrahims Oberlippe, und er nahm einen Schluck nabidth. »Ich lebe mit der Erinnerung an rasende Schmerzen«, sagte er. »Aber glaubt mir, ich hege keinen Groll gegen die Iraner. An ihrer Stelle hätte ich das Gleiche getan. Ich war schon an ihrer Stelle, hier in Afghanistan, und ich habe das Gleiche getan. Als ich die SAVAK-Leute von meiner Unschuld überzeugt hatte, wurden sie wieder zu meinen Kameraden im Kampf gegen Imperialisten und Ungläubige.«
     
    Am Abend des zehnten Tages führte Ibrahim seinen Trupp und die beiden Gefangenen zu einem Fluss tief unten in einem Tal. Ein verrosteter russischer Panzer lag am Ufer, halb im Wasser. Zu zweit und zu dritt überquerten die Mudschaheddin den reißenden Fluss in einem Bambuskäfig, der an einem dicken Draht hing und von Hand gezogen wurde. Auf der anderen Seite angekommen, ging es im schwachen Licht des Mondes einen steilen Bergpfad hinauf. Stunden später erreichten sie eine schmale Schlucht, die sie in ein lang gestrecktes Felsental führte. Das Gelände wurde zunehmend breiter und ebener. Sie kamen durch kleine Ansammlungen von geduckten Steinhäusern, deren Dächer mit Schlingpflanzen überwuchert waren. In den Ruinen einer Moschee sah man veraltete Luftabwehrgeschütze, über die Tarnnetze gebreitet waren. Im frühmorgendlichen Dämmerlicht traten Männer mit Petroleumlampen aus den Häusern und winkten Ibrahim zu. Schließlich erreichte die Gruppe ein von einer Lehmmauer umringtes Grundstück, auf dem in der Mitte eine Moschee mit Minarett stand und eine Reihe von Lehmhäusern sich an die steile Felswand lehnten. Rauch drang aus den Schornsteinen, fast so, als hätte man Ibrahim und seine Krieger erwartet. Eine junge Frau erschien an der Tür von einem der Häuser. Als Ibrahim ihr etwas zurief, schlug sie die Augen nieder und verbeugte sich tief vor ihm. Zwei kleine Kinder lugten hinter ihr hervor.
    »Wir haben Yathrib erreicht«, teilte Ibrahim seinen Gefangenen mit. Er zündete eine Petroleumlampe an und führte sie dann auf den Speicher eines der Häuser. »Hier werdet ihr bleiben, bis die Amerikaner bereit sind, uns Raketen im Austausch für eure Freilassung zu liefern. Ihr erhaltet täglich Essen, Tee, Trink- und Waschwasser. Die Schüssel hinter dem Vorhang in der Ecke dient als Toilette. Es wird euch an nichts fehlen.«
    »Außer an unserer Freiheit«, warf Maria verächtlich ein.
    Ibrahim überhörte ihre Bemerkung. »Morgens und nachmittags dürft ihr eine Stunde unter Bewachung auf dem Grundstück spazieren gehen. Wenn ihr das Heulen einer Sirene hört, heißt das, dass russische Flugzeuge oder Hubschrauber gesichtet wurden, und ihr müsst Deckung suchen. Ich wünsche euch einen erholsamen Schlaf.« Er sah Anthony eindringlich an. »Morgen werden wir mit deiner Vernehmung beginnen«, sagte er leise. »Bereite dich darauf vor.« Mit diesen Worten stieg Ibrahim die Leiter hinunter und schloss die Falltür hinter sich.
    Anthony sah zu Maria hinüber. Ihr kragenfreies Hemd war schweißnass und klebte ihr am Körper. Sie streifte ihre Stiefel ab und streckte die Beine aus. Unvermittelt gab sie ihre harte professionelle Haltung auf, die sie bislang aufrechterhalten hatte, und sagte aus heiterem Himmel: »Wir machen uns was vor, wenn wir uns einbilden, wir kämen hier lebend wieder raus.«
    Anthony betrachtete die tanzende Flamme der Petroleumlampe. Ibrahims Ankündigung, dass er vernommen werden sollte, war ihm unter die Haut gegangen. Er musste daran denken, was Ibrahim gesagt hatte, nachdem er von seiner Folter durch den iranischen Geheimdienst erzählt hatte. An ihrer

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