Die Company
Meilen unterwegs sind, ohne Echtzeit-Satellitenaufklärung könnte das Pentagon die niemals alle bei einem Erstschlag ausschalten. Und die Leute, die die Satellitenfotos auswerten, kommen von der CIA.« SASHA schüttelte den Kopf. »Wir haben einen Vertreter in dem Komitee, das Ziele auswählt und die Zielliste auf dem neusten Stand hält. Wir berechnen, wie viele sowjetische Sprengköpfe jeweils gerade abschussbereit sind. Und kein Mensch hat an diesen Berechnungen irgendein ungewöhnliches Interesse gezeigt.«
Ein korpulenter Mann mit zwei Hunden an der Leine überholte sie. Eugene behielt den Autoverkehr in der Pennsylvania Avenue im Auge. »Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll«, stellte er schließlich fest. »Starik will natürlich nicht, dass du irgendwelche Geschichten erfindest, um den Generalsekretär zu erfreuen. Andererseits würde es ihm manches erleichtern –«
»Weißt du eigentlich, was du da sagst, Eugene? Herrgott noch mal, wir kennen uns jetzt schon eine Ewigkeit. Und auf einmal bittest du mich, meine Berichte zu frisieren …«
»Starik bittet dich, deine Berichte etwas diskreter zu formulieren.«
»In einem anderen Leben«, sagte SASHA, »werde ich mal ein Buch über Spionage schreiben und den Romanautoren vor Augen führen, wie das wirklich abläuft. Rein theoretisch sind du und ich und der Resident gegenüber dem Hauptgegner nämlich gewaltig im Vorteil – westliche Gesellschaften, ihre Regierungen und sogar ihre Geheimdienste sind offener und leichter zu durchdringen als unsere. Aber in der Praxis sind wir gewaltig im Nachteil, und das hat selbst James Angleton in seinen besten Zeiten sich nicht klar gemacht. Unsere politischen Köpfe fungieren als Nachrichtenanalysten. Und unsere Agenten vor Ort haben Angst, ihren Führungsoffizieren irgendwas zu melden, das den Vorurteilen der politischen Führung widerspricht; und selbst wenn wir unseren Führungsoffizieren Bericht erstatten, werden die ganz sicher nicht ihre Karriere aufs Spiel setzen, indem sie den festgefahrenen Ansichten der Politiker widersprechende Meldungen nach oben weitergeben. Wir haben ein strukturelles Problem, weil die Geheiminformationen, die nach oben gehen, meistens dazu dienen, Fehleinschätzungen zu untermauern, anstatt sie zu korrigieren.«
»Und was soll ich Starik nun sagen?«, fragte Eugene.
»Sag ihm die Wahrheit. Sag ihm, es gibt nicht die Spur eines Beweises dafür, dass Amerika einen nuklearen Erstschlag gegen die Sowjetunion plant.«
»Wenn Andropow das glaubt, könnte es sehr gut sein, dass er CHOLSTOMER stoppt.«
»Wäre das denn so schlimm?«, fragte SASHA. »Wenn CHOLSTOMER gelingt, verlieren Abermillionen kleiner Leute ihre gesamten Ersparnisse.« Nach einer Weile sagte er: »Vor langer Zeit hast du mir mal erzählt, was Starik an dem Tag zu dir gesagt hat, als er dich angeworben hat. Weißt du noch?«
Eugene nickte. »Das werde ich nie vergessen. Er hat gesagt, wir würden die Genialität und Großzügigkeit des menschlichen Geistes fördern. Dieser Gedanke treibt mich heute noch an.«
SASHA blieb erneut stehen und betrachtete seinen Kameraden im Kampf gegen Imperialismus und Kapitalismus. »Dann verrat mir mal eins, Eugene: Was hat CHOLSTOMER damit zu tun, die Genialität und Großzügigkeit des menschlichen Geistes zu fördern?«
Eugene schwieg einen Moment. »Ich werde an Starik weiterleiten, was du gesagt hast – ABLE ARCHER 83 ist keine Tarnung für einen atomaren Präventivschlag.«
SASHA fröstelte unter seinem Mantel und schlug den Kragen hoch. »Verdammt kalt heute Nacht«, sagte er.
»Das kannst du laut sagen«, gab Eugene ihm Recht. »Was ist mit CHOLSTOMER? Du sollst nach wie vor überwachen, welche Vorbereitungen die Federal Reserve Bank zum Schutz des Dollars trifft. Was machen wir damit?«
»Wir denken darüber nach.«
Eugene lächelte seinen Freund an. »Also gut. Wir denken darüber nach.«
Tessa brachte vor lauter Aufregung keinen zusammenhängenden Satz mehr heraus, daher sprach Vanessa die meiste Zeit. Tessas direkter Vorgesetzter, ein trübsinniger Veteran der Gegenspionage namens Moody, hörte mit angestrengter Konzentration zu, während sie ihm ungeduldig alles erklärte. Sie hatten mit den Gewinnzahlen, unterschiedlichen Telefonnummern und der Seriennummer auf einem Zehn-Dollar-Schein gearbeitet. Tessa merkte, dass Mr. Moody überfordert war. »Wenn man mit der Vorwahl 202 beginnt«, sagte sie, »und dann diese Zahl von der Gewinnzahl abzieht, die am 5. April
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