Die Company
Universität in Connecticut. Ich freue mich, jemanden kennen zu lernen, der richtig in Amerika gelebt hat.«
Jewgeni klopfte auf das Gras neben sich. Sie lächelte schüchtern, setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und streckte ihm die Hand hin.
Jewgeni ergriff sie. »Ich werde dich auch Asa nennen. Bist du mit deinem Mann hier, oder ist der ältere Herr von vorhin dein Geliebter?«, fragte er.
Sie lachte heiter. »Ich wohne mit der Tochter von Genosse Beria zusammen.«
Jewgeni stieß einen Pfiff aus. »Jetzt weiß ich, wo ich den Mann schon mal gesehen habe – in der Zeitung!« Er beschloss, sie zu beeindrucken. »Wusstest du, dass Genosse Beria ein Magengeschwür hat? Dass er sich gegen die Schmerzen eine Wärmflasche auf den Bauch legt?«
Sie legte den Kopf schief. »Wer bist du?«
»Mein Name ist … Gregori. Gregori Ozolin.«
Ihr Gesicht verfinsterte sich. »Nein, das stimmt nicht. Du bist Jewgeni Alexandrowitsch, der älteste Sohn von Alexander Timofejewitsch Tsipin. Das hat mir Lawrentij Pawolowitsch erzählt. Wieso erfindest du einen Namen?«
»Weil es mir Spaß macht, deine finstere Miene zu sehen, wenn du mich demaskierst.«
Ein schwarzer Zil mit Chauffeur fuhr am Holztor vor. Direkt dahinter hielt ein zweiter Wagen mit Männern in dunklen Anzügen. Auf der Veranda der Datscha gab Lawrentij Pawolowitsch Beria Tsipin und Starik die Hand und winkte seiner Tochter, die sich angeregt mit drei Frauen unterhielt. Berias Tochter rief: »Asa, komm. Papa will zurück nach Moskau.«
Asa sprang auf und schüttelte das Gras von ihrem Rock. Jewgeni fragte drängend: »Kann ich dich wieder sehen?«
Sie blickte kurz zu ihm hinunter, die Stirn nachdenklich gekraust. Dann sagte sie: »Das ist möglich.« Sie holte einen Block hervor, kritzelte eine Nummer, riss das Blatt ab und ließ es zu Jewgeni hinabflattern. »Du kannst mich anrufen.«
»Das werde ich«, sagte er mit unverkennbarer Entschlossenheit.
Am nächsten Morgen begann Jewgeni mit Hilfe der Zwillingsschwestern Agrippina und Serafima, die für Stariks Direktorat S arbeiteten, zwei unterschiedliche Scheinidentitäten zu entwickeln, in die er nach Belieben schlüpfen konnte. »Wichtig ist«, sagte Agrippina, »dass du die Legenden nicht auswendig lernst – du musst sie regelrecht werden. «
»Du musst deine wahre Identität abstreifen«, sagte Serafima, »wie eine Schlange ihre Haut abstreift. Die jeweilige Legende muss zu deiner neuen Haut werden. Wenn jemand deinen richtigen Namen ruft, musst du automatisch denken: Wer mag gemeint sein? Ich jedenfalls nicht! Wenn du hart daran arbeitest, wird es dir mit der Zeit gelingen, mental eine Distanz zwischen der Person, die als Jewgeni Alexandrowitsch Tsipin bekannt ist, und deinen neuen Identitäten herzustellen.«
»Wieso eigentlich zwei Legenden?«, fragte Jewgeni.
»Die eine ist die Legende, die du im Einsatz verwendest, die zweite ist die Reservelegende für den Fall, dass die erste aufgedeckt wird«, sagte Agrippina. Sie lächelte mütterlich und signalisierte Serafima anzufangen.
»Also«, sagte Serafima, »jede Legende deckt den Zeitraum von der Wiege bis ungefähr zu deinem jetzigen Alter ab. Um die beiden Legenden voneinander und von deiner wahren I dentität unterscheiden zu können, solltest du jeweils unterschiedliche Gewohnheiten entwickeln; je nachdem, wer du gerade bist, musst du anders gehen und sprechen –«
»Dir die Haare anders kämmen, deine Brieftasche in einer anderen Tasche tragen, dich anders kleiden«, fügte ihre Schwester hinzu.
In groben Zügen entwarfen sie die Legenden »A« und »B«. »A« hatte die Kindheit in New Haven verbracht, wo Jewgeni sich gut auskannte; »B« war in Brooklyn aufgewachsen, und um Jewgeni mit dem Bezirk vertraut zu machen, wurden Stadtpläne und Dias sowie Artikel aus der amerikanischen Presse herangezogen. Als Adressen benutzten die Schwestern Gebäude, die inzwischen abgerissen worden waren, so dass das FBI nicht mehr würde überprüfen können, wer dort gewohnt hatte. Die Basis der Legenden waren echte Geburtsurkunden, im Standesamt von New Haven und New York ausgestellt auf die Namen zweier männlicher Weißer, die bei den Konvois der Alliierten nach Murmansk auf hoher See ums Leben gekommen waren. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Legenden waren zwei abgenutzte Sozialversicherungskarten. Serafima, Expertin für das amerikanische Sozialversicherungssystem, erklärte, dass die ersten drei Ziffern für den Bundesstaat standen,
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