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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Jewgenis – »ist Martin Bormann. Ja, der Martin Bormann, Hitlers rechte Hand. Er wurde Anfang der Zwanzigerjahre sowjetischer Agent; 1929 drängten wir ihn, die Tochter eines Hitler nahe stehenden Nazis zu heiraten, wodurch er Zugang zum engsten Kreis um Hitler erhielt. Als der Krieg anfing, hat Bormann uns Hitlers Strategie verraten, und als sich die deutsche Niederlage bei Stalingrad abzeichnete, war es Bormann, der entscheidend dazu beitrug, dass Hitler seiner eingeschlossenen Sechsten Armee einen Ausbruchsversuch untersagte. Und während der ganzen Zeit war ich Martins Führungsoffizier.«
    »Aber Bormann soll doch in der Schlacht um Berlin ums Leben gekommen sein!«
    »Einige Wochen vor Kriegsende fing die deutsche Abwehr Funksprüche auf, die den Verdacht nahe legten, Martin könnte ein sowjetischer Spion sein. Goebbels wurde informiert, doch der brachte es nicht über sich, Hitler davon in Kenntnis zu setzen. In der Schlacht um Berlin schaffte Martin es bis zum Lehrter Bahnhof, wo er aufgehalten wurde, da er in das Kreuzfeuer vorgeschobener Einheiten von Tschuikows Achter Gardearmee und einer SS-Einheit geriet. Doch schließlich gelang es ihm, die Linie zu überqueren. Unsere Fronttruppen hatten Befehl, auf einen deutschen Offizier in einem langen Ledermantel mit Kampfanzug darunter zu achten. Ich brachte ihn in Sicherheit.«
    »Warum haben Sie die Geschichte geheim gehalten?«
    »Martin brachte Dokumente über westliche Geheimdienste mit. Wir meinten, es wäre zu unserem Vorteil, wenn die Weltöffentlichkeit glaubt, dass Bormann bis zum Schluss Hitler treu ergeben war und auf der versuchten Flucht aus Berlin getötet wurde. Wir ließen sein Aussehen operativ verändern. Er ist mittlerweile im Ruhestand, aber er war ein hochrangiger Offizier unseres Geheimdienstes.«
    Starik ließ Jewgenis Hand los und kehrte zu seinem Stuhl zurück. »So«, sagte er mit triumphierender Stimme, »jetzt werden wir gemeinsam die ersten Schritte einer langen Reise machen.«
     
    In den Wochen danach tauchte Jewgeni Alexandrowitsch Tsipin in eine geheime Welt ein, die von exzentrischen Figuren mit bizarren Fähigkeiten bevölkert wurde. Es war eine erfrischende Erfahrung: Zum ersten Mal überhaupt hatte er das Gefühl, dass ihm nicht nur deshalb Aufmerksamkeit geschenkt wurde, weil er der Sohn seines Vaters war. Er erhielt den Codenamen Gregori und suchte sich den Nachnamen Ozolin aus, den Starik sogleich als den Namen des Bahnhofsvorstehers von Astapowo erkannte, einem gottverlassenen Nest, wo Tolstoi auf der Flucht vor seiner Frau den letzten Atemzug tat. (»Und was waren seine letzten Worte?«, forderte Starik, der in seiner Jugend so etwas wie ein Tolstoi-Spezialist gewesen war, seinen Protegé heraus. »›Die Wahrheit – sie liegt mir sehr am Herzen‹«, erwiderte Jewgeni wie aus der Pistole geschossen. »Bravo!«, rief Starik. »Bravo!«) Gregori Ozolin wurde Mitglied der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Mitgliedsnummer 01783753, und erhielt vom Innenministerium eine kleine geheime Wohnung in der Granowski-Straße 3, mit Kühlschrank (eine Seltenheit in der Sowjetunion) und einer tadschikischen Haushälterin, die für ihn kochte. An sechs Tagen der Woche wurde Jewgeni morgens in der Gasse hinter dem Gebäude von einem Lieferwagen abgeholt und zu einem unterirdischen Eingang der Schkola Osobogo Naznatschenija (Spezialausbildungsschule) gebracht, im Wald bei Balaschicha, knapp fünfundzwanzig Kilometer östlich vom Moskauer Ring. Aus Sicherheitsgründen wurde Jewgeni von den übrigen Auszubildenden getrennt und belegte Intensivkurse in Geheimschrift, Telegrafie, Kryptografie, Fotografie, marxistischer Theorie und der ruhmreichen Geschichte der Tscheka.
    An den geraden Tagen im Monat hatte Jewgeni in einem mit Matten ausgelegten Raum Unterricht bei einem muskulösen Osseten mit Klumpfuß und kräftigen Armen, der ihn sieben verschiedene Methoden lehrte, einen Menschen mit bloßen Händen zu töten. An den ungeraden Tagen lernte er den Umgang mit diversen Schusswaffen amerikanischer Herkunft. Als er darin einigermaßen versiert war, durfte er in einem Speziallabor des KGB unweit von Moskau eine der dort entwickelten exotischen Waffen testen, eine lautlose Pistole, die in einem Zigarettenetui verborgen war und platinlegierte Kugeln so groß wie Stecknadelköpfe abfeuerte; die Nadelköpfe enthielten ein giftiges Extrakt der Rizinuspflanze, das unweigerlich einen Herz-Kreislauf-Kollaps auslöste.
    Abends wurde er

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