Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
vom Hocker. »War nett, dich wieder zu sehen, Jacko. Viel Glück in deinem Pressebüro.«
    »Fand ich auch, Wanka. Viel Glück in deiner Import-Export-Kommission. Auf ein nächstes Mal.«
     
    Jack stand im Schatten einer Haustür in der Hardenbergstraße und hielt den Eingang des Ballettstudios im Auge. Er war lange durch das Labyrinth der S-Bahn geirrt, immer wieder, kurz bevor die Zugtüren schlossen, hinein- und hinausgesprungen, um schließlich am Bahnhof Zoo auszusteigen und durch ein Gewirr von Seitenstraßen zu streifen, bis er absolut sicher war, dass niemand ihm folgte. Mr. Andrews wäre bestimmt stolz auf ihn.
    Um zehn nach neun kamen die ersten Schülerinnen aus dem Studio, spindeldürre Mädchen, die mit dem typischen Entengang von Balletttänzerinnen davonstolzierten, Atemwolken vor dem Mund, während sie aufgeregt kicherten. Jack wartete noch zehn Minuten, überquerte dann die Straße und betrat den schmalen Korridor, in dem es nach Schweiß und Talkum roch. Er stieg die knarrende Holztreppe am Ende des Gangs zum Studio hoch. Oben angekommen, verharrte er einen Moment vor einer Tür und lauschte. Als er kein anderes Geräusch im Gebäude hörte, öffnete er die Tür.
    Wie immer nach dem Unterricht am Dienstag und Freitag, wenn ihre Schülerinnen gegangen waren, machte die Agentin RAINBOW ein paar Übungen an der Ballettstange, barfuß, in einer lila Gymnastikhose und einem weiten, verblichenen Pullover. Sie musterte sich dabei intensiv im Spiegel. Ihr dunkles Haar war nach hinten gekämmt und mit Wollfäden zu einem langen Zopf geflochten. Jack traf sich das fünfte Mal mit ihr, und wieder raubte ihm die Schönheit ihres Körpers den Atem. Ihre Nase war einmal gebrochen gewesen und schlecht gerichtet worden, doch was eine andere Frau entstellt hätte, wirkte bei ihr auf rätselhafte Weise anziehend.
    »Was sehen Sie, wenn Sie sich beim Tanzen im Spiegel beobachten?«, fragte Jack von der Tür aus.
    Erschreckt griff sie nach dem Handtuch auf der Stange, warf es sich um den Hals und kam Jack entgegen, wobei ihre Füße – so schien ihm – kaum den Boden berührten. Sie trocknete sich die zarten Finger ab und hielt ihm förmlich die Hand hin. Er schüttelte sie. Sie ging zu dem Stoß ordentlich gefalteter Kleidungsstücke auf einem der Holzstühle an der Wand. »Ich sehe meine Fehler – der Spiegel reflektiert nur Fehler.«
    »Ich habe das Gefühl, Sie gehen zu hart mit sich ins Gericht.«
    Sie widersprach mit einem Lächeln. »Mit achtzehn wollte ich eine berühmte Tänzerin werden. Jetzt bin ich achtundzwanzig und will nur noch tanzen.«
    Der Zauberer hatte RAINBOW über einen Polen vermittelt bekommen, der wie viele andere im Untergrund von Berlin recht gut davon lebte, dass er Informationen oder Informanten verkaufte. Torriti – dem noch immer die missglückte Exfiltration von Wischnewski zu schaffen machte – hatte Jack gewarnt, es könnte sich um eine KGB-Falle handeln, aber seinen Lehrling dennoch auf RAINBOW angesetzt; er sollte sie, wenn möglich, ins Bett kriegen und auf Band aufnehmen, was sie ihm ins Ohr flüsterte. Jack, aufgeregt über seinen ersten richtigen Auftrag, hatte ein Treffen vereinbart.
    RAINBOW war, wie sich herausstellte, eine ostdeutsche Balletttänzerin, die zweimal in der Woche nach Westberlin kam, um in einem kleinen Studio Ballett zu unterrichten. Sie hatte sich nur mit Lili vorgestellt und Jack unmissverständlich klar gemacht, dass sie den Kontakt zu ihm auf der Stelle abbrechen würde, falls er ihr in den Ostsektor der Stadt folgte. Sie hatte aus ihrem Dekollete ein kleines, quadratisches Stück Seidenstoff gezogen, das in winziger Schrift voll geschrieben war. Als Jack es entgegennahm, war der Stoff noch warm von ihrer Haut. Er hatte sie für die Informationen bezahlen wollen, doch sie hatte rundheraus abgelehnt. »Ich hasse die Kommunisten«, hatte sie gesagt. »Meine Mutter war eine spanische Kommunistin – sie wurde im Kampf gegen Franco getötet; deshalb genieße ich bei den ostdeutschen Behörden Vertrauen. Ich hasse die russischen Soldaten, weil sie mir Schreckliches angetan haben, als sie Berlin eroberten. Ich hasse die Kommunisten, weil sie meinem Heimatland Schreckliches antun. Es ist in Deutschland schon wieder so weit gekommen, dass wir nicht mehr sagen können, was wir denken, geschweige denn tun, was wir für richtig halten; irgendjemand muss etwas dagegen tun.«
    Lili hatte behauptet, sie sei Kurierin für ein hohes Tier in der ostdeutschen Führung,

Weitere Kostenlose Bücher