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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Gedanken, so dass er kein Auge zutun konnte. Hatten er und Spink an alles gedacht? Die Etiketten in Aljoschas Kleidung – sie waren allesamt russisch. Die Sohlen seiner Schuhe – ebenfalls russisch. Die Armbanduhren – die konnte jemand, der in einer russischen Einheit in Deutschland gewesen war (Aljoschas Militärpass trug die gefälschte Unterschrift eines toten Offiziers), ohne weiteres als gestohlen ausgeben. Das Funkgerät und die Minox – die würde SUMMERSAULT vergraben, sobald er seine sichere Landung gemeldet hatte. Aber was, wenn er sich bei der Landung einen Knöchel brach? Was, wenn er bewusstlos wurde und ein Bauer ihn der Miliz auslieferte? Würde die Legende, die Ebby sich ausgedacht hatte – dass Aljoscha zweieinhalb Jahre beim Bau eines Dammes im Norden der Ukraine gearbeitet hatte –, auch einer gründlichen Überprüfung standhalten? Die Zweifel, die Ebby befielen, wurden immer quälender.
    Gut eine Stunde vor Tagesanbruch meinte Ebby, in der Ferne das Dröhnen von Motoren zu hören. Er erreichte den riesigen Hangar gerade, als die C-47 auf der Landebahn aufsetzte. Die Maschine rollte aus. Als einer der Piloten Ebby erspähte, schob er ein Cockpitfenster auf und hob den Daumen in die Luft. Ebby fiel ein Stein vom Herzen. Jetzt galt es nur noch, auf die verschlüsselte Nachricht zu warten, dass die Landung reibungslos geklappt hatte.
    Am selben Morgen holte Ebby in der Frankfurter Dienststelle etwas Schlaf auf einer Büroliege nach, als Tony Spink ihn wachrüttelte. Ebby setzte sich kerzengerade auf. »Hat er sich gemeldet?«
    »Ja. Er hat gesagt, Landung erfolgt, alle Knochen heil. Er hat gesagt, er vergräbt das Funkgerät und macht sich auf den Weg in die Berge zu seinen Freunden. Er hat gesagt, er ist froh, zu Hause zu sein. Er hat gesagt, er meldet sich in ein paar Tagen wieder. Er hat … er hat gesagt: ›Tausend Dank, Jungs.‹«
    Ebby musterte Spinks Gesicht. »Was ist los, Tony? Es war doch Aljoschas Morsekennung, oder?«
    »Eindeutig. Der Mann, der ihm das Morsen beigebracht hat, schwört, dass die Meldung von Aljoscha kommt. Aber der Junge hat ein Gefahrensignal eingefügt – er hat mit Aljoscha unterschrieben, nicht mit SUMMERSAULT.«
    Ebby klammerte sich an einen Strohhalm. »Vielleicht hat er vergessen –«
    »Ausgeschlossen, Ebby. Er ist geschnappt worden und soll gegen uns ausgespielt werden. Wir tun so, als hätten wir nichts gemerkt. Aber der Junge ist so gut wie tot.«

 
    4 Berlin,
Freitag, 23. Februar 1951

    J
    acks Stammlokal war voll mit den »üblichen Verdächtigen«, wie es in dem berühmten Film Casablanca so schön heißt. Freddie Leigh-Asker, Chef der MI6-Dienststelle, drängte sich durch zur Bar, um eine neue Runde zu besorgen. »Zwei Doppelte, ohne Eis«, brüllte er. »Weißt du schon das Neueste?«, fragte er Jack, der an der Bar saß und sich schon einen Doppelten mit Eis gegönnt hatte. Es war Jacks dritter Doppelter an dem Nachmittag, und er verstand allmählich, was den Zauberer trieb, seine Lebensangst in Alkohol zu ertränken.
    »Die Spinner von der psychologischen Kriegsführung haben sich einen echten Gag ausgedacht – sie wollen, dass wir Russland mit extragroßen Kondomen bombardieren.«
    »Ich glaube, ich kann dir nicht ganz folgen«, rief Jack über die laute Musik der Jazzband hinweg.
    »Die Kondome haben den Aufdruck ›medium‹!«, erklärte Freddie. »Na, klingelt’s endlich bei dir, alter Junge? Das soll die russischen Frauen demoralisieren. Jedes Mal, wenn sie ihre Männer angucken, werden sie sich fragen, was sie verpassen. Ein Wahnsinnsplan, was?«
    Freddie fischte ein paar Markstücke aus der Tasche, warf sie auf die Theke, nahm die Drinks und verschwand im Nebel des Zigarettenqualms. Jack war froh, ihn los zu sein. Er wusste, dass der Zauberer schon nervös wurde, wenn er Leigh-Asker nur sah; Torriti traute, wie er sagte, Leuten mit einem Bindestrich im Namen nicht über den Weg, doch Miss Sipp hatte eine bessere Erklärung. »Es liegt nicht an dem albernen Bindestrich«, hatte sie einmal zu Jack gesagt. »Der arme Freddie hatte einen guten Krieg, wie die Briten es nennen – er ist sozusagen mit dem Fallschirm mitten in den Feuerofen gesprungen und hat sich nicht mal die Haare versengt. Seitdem ist er überzeugt, dass er steinalt wird. Angst ist für ihn ein Fremdwort. Mr. Torriti arbeitet lieber mit Leuten zusammen, die Angst haben – er meint, die haben bessere Aussichten zu überleben. Er mag Sie, Jack, weil er ahnt, dass sich

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