Die Company
an Hoxha praktisch nicht heranzukommen sei, weil er für den Weg von seiner Villa ins Büro angeblich einen unterirdischen Tunnel benutzte. Ein besseres Ziel seien die U-Boot-Bunker, die die Sowjets im albanischen Hafen Saseno bauten, um sich die Kontrolle über die Adria zu sichern. Falls Ebbitts Kommando am Strand von einem Empfangskomitee erwartet wurde, würde das bedeuten, dass der Maulwurf die Russen in Washington informiert hatte.
Achtens: Zu guter Letzt würde Torriti Angleton die letzten Informationen zukommen lassen, die die Kurierin RAINBOW von ihrer Quelle mit dem Decknamen SNIPER geliefert hatte. Einer der Punkte war besonders interessant: SNIPER nahm in der ostdeutschen Hierarchie eine so hohe Stellung ein, dass er zu einem Vortrag eingeladen worden war, den kein Geringerer hielt als Marschall Schukow – der Oberkommandierende bei der sowjetischen Einnahme von Berlin 1945 – und in dessen Verlauf der Marschall erwähnte, dass sowjetische Truppen im Falle eines Krieges innerhalb von zehn Tagen am Ärmelkanal stehen könnten. Wenn die Russen davon Wind bekamen, dass sich in der ostdeutschen Führungsriege eine undichte Stelle befand, würde die SNIPER-Quelle sehr bald versiegen, und RAINBOW würde nicht mehr zu ihrem Ballettunterricht in dem Studio an der Hardenbergstraße in Westberlin erscheinen.
10 Berlin,
Dienstag, 17. April 1951
U
m diplomatische Immunität zu genießen, galt Jack – wie alle in Berlin stationierten CIA-Offiziere – offiziell als Mitarbeiter des Foreign Service mit einem Büro im amerikanischen Konsulat. So war es nicht verwunderlich, dass er eine Einladung des Botschafters zu einem Umtrunk zu Ehren des Außenministers Dean Acheson erhielt, der den Konsulaten und Botschaften in Berlin eine Stippvisite abstattete. Während er mit den anderen jungen Kollegen vom CIA zusammenstand, hörte er nur mit einem Ohr zu, wie einer der Techniker von dem neuen Univac-Computer schwärmte, der in der Company installiert wurde. »Das Ding wird die Informationsbeschaffung revolutionieren«, sagte der Techniker begeistert. »Der Nachteil ist, dass der Univac nicht gerade leicht zu transportieren ist – genauer gesagt, er füllt einen riesigen Raum. Der Vorteil ist aber, dass er die Telefonbücher von allen Großstädten der USA schluckt. Man gibt einen Namen ein, und vier oder fünf Minuten später spuckt er die Telefonnummer aus.«
»Diese verdammten Maschinen«, witzelte jemand, »rauben einem noch den ganzen Spaß am Spionieren.«
Jack lachte mit den anderen, aber nur halbherzig; in Gedanken war er bei seinem bevorstehenden Rendezvous mit RAINBOW, seinem mittlerweile sechzehnten Treffen mit ihr. Die Gespräche zwischen ihnen waren mit der Zeit zu einer Art verschlüsselter Kurzschrift geworden; das, was unausgesprochen blieb, hatte mehr Gewicht als das, was gesagt wurde, und das wussten sie beide. Heute Abend wollte er seinen ganzen Mut zusammennehmen und sagen, was er dachte, fühlte. Er wusste nicht, wie sie reagieren würde, ob sie ihm die kalte Schulter zeigen oder ihm in die Arme sinken würde.
RAINBOW freute sich inzwischen richtig auf ihre Treffen mit Jack; bei ihm fühlte sie sich begehrenswert und begehrt, anders als in ihrer Beziehung zu dem siebenundzwanzig Jahre älteren Professor. Seit einigen Wochen drehte Lili sich auch nicht mehr verschämt weg, wenn sie unter ihren Pullover griff und das kleine, in winziger Handschrift voll geschriebene Stück Seide aus ihrem BH hervorholte. Diesmal nahm Jack es, noch warm von ihrer Haut, entgegen und drückte es sich an die Lippen. Lili senkte kurz den Blick, schaute ihn dann fragend an, als er ihr einen sanften Kuss gab. »Bitte, bitte, versteh, dass wir nicht weitergehen können«, sagte sie flehend. »Vielleicht in einer anderen Welt, einem anderen Leben …« Sie brachte ein trauriges Lächeln zustande, und Jack meinte zu ahnen, wie ihr Gesicht aussehen würde, wenn sie alt war.
»Hast du dem Professor von mir erzählt?«
»Er fragt nie, und ich spreche das Thema von mir aus nicht an. Die Informationen, die er dir schickt – er macht das aus einem altmodischen Idealismus heraus. Der Professor trägt altmodische Hemden mit angeknöpften gestärkten Kragen, die er täglich wechselt; ihm behagen die neuesten Moden nicht, weder was Kleidung noch politische Ideen betrifft. Er sammelt die Informationen und schreibt sie akribisch auf Seide auf, um die Uhr zurückzudrehen. Die Zustellung überlässt er ganz allein mir.«
»Wir
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