Die Company
handgeschriebenen Zettel an der Tür stand: »Heute ausnahmsweise geschlossen.« Ebby hatte einen Saal hinter dem Schankraum gemietet, um für seine albanische Kommandoeinheit ein Abschiedsessen zu geben. Er saß am Kopfende des langen Tisches, füllte Weinbrandgläser nach und reichte Filterzigaretten herum. Die schmalen, glatt rasierten Gesichter von sieben jungen Albanern, die mit zwei Dolmetscherinnen auf beiden Seiten des Tisches saßen, glänzten vor Schweiß und vor Stolz.
Am anderen Ende des Tisches saß Adil Azizi, der Kommandoführer, ein hübscher, junger Mann mit glatter Haut und langem, blonden Haar, und schälte mit einem Bajonett eine Orange. Der Mann im schwarzen Rollkragenpullover neben ihm machte eine Bemerkung, und alle lachten. Die Dolmetscherin neben Ebby übersetzte: »Mehmet hat gesagt, Adil soll die Klinge nicht mit der Orangenschale stumpf machen, er braucht das Bajonett noch, um den Kommunisten die Haut abzuziehen.«
Eine Standuhr an der Tür schlug Mitternacht. Kapo, mit seinen vierundzwanzig Jahren der Älteste im Kommando und nicht auf eine Dolmetscherin angewiesen, erhob sich. Er nahm sein Glas und hielt es in Ebbys Richtung. »Ich verspreche Ihnen, Mr. Trabzon, wir werden weder Sie noch unsere amerikanischen Freunde, noch unser Volk enttäuschen«, sagte er, und die zweite Dolmetscherin übersetzte ins Albanische.
Adil murmelte Kapo etwas zu. Kapo sagte: »Adil erzählt, dass sein Halbbruder vor Gericht gestellt wurde, weil er amerikanische Musik im Radio gehört hat, und eine halbe Stunde später auf dem Parkplatz des Fußballstadions von Tirana erschossen wurde. Unser Todfeind ist Enver Hoxha, so viel ist klar.«
Dann zog Kapo ein in Zeitungspapier eingeschlagenes Päckchen aus der Lederjacke, die über seinem Stuhl hing. Er hielt es hoch. Alle lächelten. »Ich und meine Freunde möchten Ihnen ein Geschenk machen, damit Sie immer an uns denken, an die Zeit, die wir zusammen in der wunderschönen Stadt Heidelberg verbracht haben.«
Das Päckchen wurde zu Ebby durchgereicht, der vor Verlegenheit rot anlief. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll –«
»Dann sagen Sie nichts, Mr. Trabzon. Öffnen Sie es einfach«, rief Kapo. Die anderen lachten aufgeregt.
Ebby öffnete das Päckchen, und sein Gesicht erhellte sich, als er das Geschenk sah: ein britischer Webley-Mark-VI-Revolver mit einem polierten Holzgriff, in den das Jahr 1915 eingraviert war. Die Waffe sah aus wie neu. »Ich freue mich sehr über das schöne Geschenk«, sagte Ebby leise. Er hielt die Waffe an sein Herz. »Vielen Dank.«
Adil sagte etwas auf Albanisch. Die Dolmetscherin übersetzte: »Adil sagt, das nächste Geschenk für Sie wird der Skalp von Enver Hoxha sein.« Alle am Tisch nickten ernst. Adil kippte sein Glas Weinbrand hinunter. Die anderen taten es ihm gleich und klopften dann mit den Gläsern auf den Tisch. Niemand lächelte.
Ebby stand auf. »Es war eine Ehre für mich, mit euch zusammenzuarbeiten«, sagte er. »Es hängt sehr viel von diesem Kommando ab. Wir sind sicher, dass der Tod von Hoxha zu einem Aufstand der demokratischen Kräfte in Albanien führen wird. Die Truppen des Antikommunisten Balli Kombëtar im Norden können Tausende von Partisanen mobilisieren. Ein Aufstand in Albanien könnte nicht nur auf dem Balkan Revolten entfachen, sondern auch in den anderen Ländern Osteuropas und schließlich – warum nicht? – in der Ukraine, im Baltikum und in den zentralasiatischen Republiken. Die Sowjetunion ist wie eine Reihe von Dominosteinen – wenn der erste umgestoßen wird, fallen alle anderen um.« Ebby blickte in die eifrigen Gesichter. »Euch kommt die gefahrvolle Ehre zu, den ersten Dominostein umzustoßen.« Grinsend fügte er hinzu: »So viel ist klar.« Die jungen Albaner brachen in Gelächter aus. Als sie sich wieder beruhigt hatten, sagte Ebby ernst: »Viel Glück und Erfolg euch allen.«
9 Berlin,
Donnerstag, 12. April 1951
M
iss Sipp und Jack standen vor Torritis Büro und studierten die Titelseite der Neuen Zeitung, eines amerikanisch gesteuerten Blattes, das auf Deutsch erschien: Abgesehen von den üblichen Zahlen, wie viele Vopos in den letzten vierundzwanzig Stunden übergelaufen waren, meldete der Aufmacher Trumans Entscheidung, Douglas MacArthur den Oberbefehl in Korea zu entziehen, nachdem der General öffentlich Luftangriffe auf chinesische Städte gefordert hatte. Sie waren so vertieft in ihre Lektüre, dass sie das Gebrüll, das aus dem Büro ihres Bosses
Weitere Kostenlose Bücher