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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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der Tat auf dem rechten Auge blind. Braue und Wange trugen Spuren einer schrecklichen Wunde, das vernarbte Lid verbarg kaum die leere Augenhöhle. Bei seinem Anblick lief es Ermengarda kalt den Rücken hinunter.
    »Stört Euch nicht an Joans Aussehen«, lachte Artaud, als habe er ihre Gedanken erraten. »Ein Jagdunfall. Schon lange her.«
    In der Nacht erhob sich der Wind und rüttelte an den Dachziegeln, so dass sie unruhig schlief. Im Traum sah sie sich von einem einäugigen Unbekannten verfolgt, dann wieder spürte sie die begehrlichen Blicke Gausberts und seines Bruders auf sich gerichtet, als wollten die beiden sie auf die Tafel zerren und sich über sie hermachen, mitten zwischen gegrillten Krebsen und Froschschenkeln in Knoblauch und Weinsoße. Am Ende graute es ihr vor den weichen, weißlichen Händen des Abtes, die im Dunkeln nach ihrem Leib tasteten. Im halbwachen Dämmern hatte sie noch lange mit diesem widerlichen Trugbild zu kämpfen, bis es sie endlich verließ und sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf verfiel.
    ***
    Der Himmel sah am frühen Morgen seltsam furchterregend aus. Von der aufgehenden Sonne erfasst, warfen einzelne, in giftiges Graurosa gefärbte Wolkenschlieren einen seltsamen Schein auf die Landschaft. Dazu heulte der Wind in einem Ton über die Zinnen, der durch Mark und Bein ging.
    »
La tramontanha,
Herrin«, grinste Joan, der Wildhüter mit dem schrecklichen Auge. »Wenn der sich einnistet, bläst es tagelang. Der fegt hier durch, dass es einem den Atem vom Mund reißt. Hat sich schon manch einer erhängt, weil er das Heulen nicht ertragen hat.«
    Er lachte zwar, aber dann, für alle Fälle, spuckte er über die Schulter und machte das Handzeichen gegen den bösen Blick und anderes Unglück. Auch die Pferde waren unruhig und schreckhaft. Amir zerrte am Zügel und wollte nicht still stehen.
    »Sollten wir lieber nicht reiten?«, fragte Ermengarda besorgt. Sie zog sich die verhasste Mütze über die Ohren, denn es blies eisig kalt.
    Der Einäugige zuckte mit den Schultern. »Im Wald sind wir vor dem Wind geschützt, wenn uns nicht ein Ast auf den Kopf fällt. Oder was einem da sonst so geschehen kann.« Er lachte, fand die Bemerkung lustig.
    »Und was soll das sein?«, fragte Arnaut scharf. Der Kerl gefiel ihm nicht. Passte gut zu den zwielichtigen Herren dieser elenden Burg.
    »Nichts für ungut,
Cavalier.
« Der Wildhüter hob beschwichtigend die Hände. »Treibt sich oft Gesindel in den Wäldern herum. Aber Ihr seid ja gut bewaffnet. Kein Grund zur Sorge also.«
    »Dann rede nicht so dummes Zeug«, brummte Arnaut.
    Er sah sich nach seinen Gefährten um, die alle schon im Sattel saßen. Wegzehr hing in ledernen Beuteln am Sattelknauf, die Wasserschläuche waren gefüllt. Raimon trug auch heute keinen Panzer, nur das wattierte
gambais,
das Gesicht bleich, dunkle Ringe unter den Augen. Jede Bewegung des verwundeten Arms schien ihn höllisch zu schmerzen. Arnaut machte sich ernsthafte Sorgen um ihn, obwohl Raimon vorgab, es ginge ihm heute viel besser. Doch das war zweifellos gelogen.
    Das Gerede mit dem Wildhüter hatte Arnaut an die Wegelagerer in der Corbieras erinnert. Da man auf Raimon nicht zählen konnte, waren sie also nur zu dritt, falls es dazu kam, sich zu verteidigen. Das gab ihm ein unsicheres Gefühl im Magen.
    »Setz deinen verdammten Helm auf«, raunzte er Severin an. »Und häng den Schild um die Schultern.« Severin verdrehte wegen der groben Worte die Augen, gehorchte aber.
    Felipe grinste, stülpte sich ebenfalls den Helm auf und zog den Kinnriemen fest. »
Mossenher
hat wohl schlecht geschlafen.«
    »Lass ihn nur«, rief Ermengarda laut genug, um den Wind zu übertönen. »Wenn er so weitermacht wie bisher, verpflichte ich ihn als meinen Kriegsherrn und
capitan
der Haustruppen.« Sie kicherte.
    Bei ihren Worten verbeugte sich Felipe vor ihm und lachte spöttisch. Arnaut runzelte die Stirn. Wollten sie sich über ihn lustig machen?
    »
Fraire
Aimar wird in jedem Fall mein Botschafter«, fuhr sie ausgelassen fort. »Und philosophischer Berater.«
    »Zu Diensten,
Domina.
« Der Mönch verneigte sich in gespielter Demut.
    »Was, zum Teufel, ist ein philosophischer Berater?«, fragte Felipe. »Willst du uns mit Philosophie regieren?«
    »Warum nicht?«
    Arnaut merkte, dass Ermengarda ihm zuzwinkerte, während sie das sagte. Es war also nur ein Spiel, ein Überschwang an guter Laune, als freue sie sich, Castel Nou endlich den Rücken zu kehren.
    Aber sie war noch nicht

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