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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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norwegischen Meisterschaften. Der Sturz vom Sieger zum Schurken war tief. Und jetzt war er Schurke. Und hasste diese Rolle. Warum hat nicht ein einziger Scheißjournalist über ihn geschrieben, als er bei den Polizeimeisterschaften den ersten Platz im Orientierungslauf geholt hat? Für Senioren.
    »Genau«, das knurrt er fast, »wir haben ›niemanden zum Bewachen abkommandiert‹, wie Kommissarin Halvorsen sich auszudrücken beliebt. Und ihr wisst, warum nicht.« Sicher, denkt Anne-kin, wir setzen unsere eigenen Leute nur dann ein, wenn Häftlinge oder Leute aus der U-Haft ins Krankenhaus müssen. Und natürlich am Nationalfeiertag, damit die Notärzte pflastern und verbinden können, ohne von besoffenen Patienten erstochen oder niedergeschlagen zu werden.
    »Die Zeitungen werden großes Geschrei machen wegen der mangelnden Urteilsfähigkeit der Polizei«, sagt er jetzt sehr laut. Hör doch auf, Sundt, denkt Anne-kin, bau hier keinen Popanz auf, keine Situation, wo alle aneinander vorbeireden. Du hast wirklich andere Probleme. Und plötzlich scheint er einzusehen, wie töricht dieser Sololauf ist, sein Egolauf. Seine Gesichtsfarbe ändert sich, er setzt sich gerade. Der Mann wird wieder kühl und professionell. Schaut Kommissarin Anne-kin Halvorsen an.
    »Welche Grundlage hast du zu der Annahme, dass jemand sie geholt hat«, fragt er. Ganz ohne Sarkasmus und Ironie in der Stimme.
    »Sie hatte Angst, Sundt«, antwortet Anne-kin. »Der Spatz kann nicht … niemand kann den Ärzten Bewusstlosigkeit vortäuschen. Die Kleine war nicht bewusstlos, sie hat sich nur so gestellt. Hartnäckig. Und sie haben ihr Zeit gelassen. Aber sie hatte Angst. Sie …«
    Anne-kin kommt nicht weiter, das Telefon klingelt. Es muss wichtig sein. Sundt lässt sich bei der Morgenbesprechung normalerweise keine Anrufe durchstellen.
    Er horcht. Horcht konzentriert. Stellt einige Fragen.
    Dann legt er auf. Dreht sich um und sagt:
    »Sie ist nicht abgeholt worden. Sie ist von selbst gegangen.« Die anderen tauschen Blicke. Warten gespannt.
    »Die Kleider im Schrank … im Schrank des Nachbarzimmers sind verschwunden. Schuhe, Bluse, Rock, Mantel. Die Patientin dort ist bettlägerig, das Personal ist ganz sicher, dass ihre Sachen gestern noch dort hingen. Aber jetzt sind sie verschwunden. Die Kleider und die Frau.« Er stützt den Kopf in die Hände und sieht müde aus. Dann reißt er sich zusammen und setzt die Besprechung fort, und sofort geht alles wieder geregelt weiter, wird wieder zur Routine. Keine weiteren Gefühlsausbrüche, keine eiskalten oder rot glühenden Fronten von Chef Sundt. Aufgaben werden verteilt. Fälle und Untersuchungen werden zugeteilt. Die Besprechung ist zu Ende.
    Und Kommissarin Anne-kin Halvorsen weiß, dass sie und Kollege Vang wieder ein Team sind, sie bearbeiten den Fall »Containerfrau«. Allerdings zusammen mit anderen. Mit eigenen Kräften der Wache. Nicht mit Leuten von außen.
    Die Wache von Trondheim hat nicht die Gewohnheit, sich an die Kripo zu wenden. Sie sind, im Verhältnis, eine Wache mit vielen Mitteln, haben einen Aufklärungsquotienten, der nicht gerade an der Spitze liegt, verlassen sich auf ihre eigenen Fähigkeiten und überlassen der Kripo Doppelmorde in Honningsvåg und Kløfta. Wo die lokalen Dorfpolizisten unterstützt werden müssen. Die Wache von Trondheim klärt ihre eigenen Morde selber auf – oder verpfuscht die Aufklärung.
    Die »Containerfrau« genießt höchste Priorität. Der erstochene Penner aus Nyhavn wird ein wenig herabgestuft.

8
    »Ja, und jetzt zu uns«, sagt Vang, sie sitzen vor ihrem Kaffee in Anne-kins Büro.
    »Und verrat das niemandem«, er zwinkert ihr zu. »Aber das hier riecht nach einem dicken Braten.« Arschloch, denkt sie und lehnt Vangs mitgebrachte ökobiologische Zuckerwürfel dankend ab.
    »Das riecht nicht nach Braten, was immer du darunter verstehst, das riecht nach ›Spatz‹, es riecht nach Dreck und Schmeißfliegen, nach Tragödie und ausgenutzten jungen Mädchen. Riecht nach etwas Großem, Widerlichen, gut Organisierten.«
    Er blickt sie kurz an, dann schaut er die Wand an, vertieft sich in den Anblick seiner Kaffeetasse und sagt:
    »Ja, Halvorsen, du hast Recht, das stinkt.« Und da sitzen sie nun und sehen einander an und sie hat das Gefühl, dass das Team Halvorsen & Vang wieder in Gang ist. Das ist ein gutes Gefühl.
    »Der vorläufige Obduktionsbericht sagt, dass …«, sie blättert in den Papieren, die bei der Besprechung verteilt worden sind.

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