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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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»Sagt, dass die Frauen, und zwar die, die schon tot war, als wir sie gefunden haben, und die, die im RiT auf dem Operationstisch gestorben ist, beide lebensgefährlich ausgetrocknet waren. Und unter Drogeneinfluss standen. Spuren von …« Anne-kin liest die Fachterminologie des Pathologen vor, »wurden in beiden Leichnamen gefunden.«
    »Russische Drogen«, grunzt Vang. »Das sind die billigsten, die du kriegen kann. Werden auch ›polnische Suppe‹ genannt. Könnten ein Pferd ausschalten.«
    Kommissarin Halvorsen hebt nicht einmal eine Augenbraue. Kollege Vang ist Drogenexperte, weiß über vieles sehr viel, hat eine seltsame Fähigkeit, neue Trends zu wittern, ehe sie zu Trends geworden sind.
    »Aber die, die noch lebt … die aus dem Krankenbett abgehauen ist, wenn Sundt Recht hat … die hatte zwar auch Spuren von diesen Stoffen im Leib, aber in sehr viel geringeren Mengen«, sagt sie nun. Vang stößt einen Pfiff aus.
    »Wieso das denn?«, fragt er.
    »Woher um alles in der Welt soll ich das wissen.«
    »Ich habe dich nicht gefragt, ich habe nur laut gedacht«, ist seine Antwort.
    Sie schweigt, gewährt dem Denker Vang drei Minuten Denkzeit. Länger lässt seine Gedankenkapazität sich nicht ausdehnen. Ehe sie auf Frauen überschaltet. Auf gesunde Frauen mit Silikontitten und Netzstrümpfen.
    »Und das bedeutet?«, fragt sie.
    »Dass die Frau clever ist«, sagt er. »Dass sie auf irgendeine Weise Unrat gewittert hat, dass sie ihren Drink zum Blumengießen benutzt oder ihn ins Klo gekippt hat. Das bedeutet das. Dass sie etwas kapiert hat.«
    »Weiter«, sagt Anne-kin. »Erzähl mehr.« Doch Vang schweigt. Er hat nicht mehr zu sagen. Sie versucht, ihn wieder zum Reden zu bringen.
    »Der Zahnarzt, der in ihren Mündern herumgewühlt hat, ist sich seiner Sache sicher«, sagt sie. »Die wenigen Plomben, die sie hatten, sind Grobarbeit. Asphalt.«
    »Steht das da?«, fragt der Kollege. »Asphalt?«
    »Tja, na ja, indirekt. Da steht … Scheiße, hast du den Bericht nicht gelesen, Vang?« Sie schaut die rotblonde schnurrbärtige Erscheinung an, die die Füße auf ihren Schreibtisch gelegt hat und ihren Bizeps liebkost.
    »Nein«, erwidert er. »Aber kannst du den zusammenfassen?« Der Kollege ist dermaßen unwiderstehlich widerlich, so, wie er immer schon gewesen ist, und sie will sich nicht provozieren lassen, will ihre Kräfte nicht für neue Ringrunden mit ihm verschwenden. Der Sprengstoff muss auf einer würdigere Gelegenheit warten.
    »Aufgrund der vorläufigen odontologischen Untersuchung müssen wir annehmen, dass diese Frauen aus einer anderen Zahnarztkultur stammen als der westlichen. Will sagen, aus Osteuropa.«
    »Pö«, hört sie Vang sagen. »Und was ist mit Südamerika? Oder Afrika? Wie kann so ein Zahnarzt-Guru behaupten, ihr Gebiss sei osteuropäische Pfuscherei?«
    Anne-kin grinst. Obwohl alles so traurig ist, grinst sie.
    »Vang«, sagt sie, »findest du, dass die Frauen, die wir gefunden haben, aussehen wie Frauen aus den Ländern, von denen du sprichst? Nicht wie die, die es sich leisten können, ihre Zähne zu pflegen, die Weißen, meine ich. Der ›Spatz‹ und die beiden anderen sind weder Negerinnen noch Halbmexis, schwarzweiße Mischungen aus Afrika oder sonstwas. Sie sind so bleich und weiß, dass du alle Theorien über andere Erdteile vergessen kannst. Sie haben auch keine Schlitzaugen, sind weder Thai noch Phil. Sie sind so verdammt weiß, dass ich glaube, sie haben ihr kurzes Leben in Barentsburg verbracht! Sind in der Polarnacht geboren und aufgewachsen, mit vier Monaten Sonnenlicht und acht Monaten Dunkelheit.«
    »Idiotin«, ist der Kommentar, den dieser Ausbruch ihr einbringt. »Du warst ja nicht mal auf Spitzbergen, ich dagegen wohl. Und die Polarnacht, von der du da redest, ist der pure Unsinn. Soll ich dir die Wirklichkeit von Spitzbergen erklären, meine Liebe?« Vang hat sich zu ihr vorgebeugt, steckt ihr einen Finger in die Bluse und besteht darauf, ihr die Wirklichkeit von Spitzbergen zu erklären. Anne-kin Halvorsen seufzt tief. Sie kennt diese Wirklichkeit, jedenfalls Vangs Wirklichkeit. Eigentlich hat er jetzt eine Grenze überschritten, normalerweise schildert er die Wirklichkeit erst, wenn er einen in der Krone hat, nach ein paar Bier mit Zubehör. Es gefällt ihr nicht, dass er jetzt schon mit diesem Gefasel loslegt, es gefällt ihr überhaupt nicht.
    »Hör auf«, sagt sie. »Spar dir deine Geschichten bis zur nächsten Weihnachtsfeier auf. Dann kannst du erzählen,

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