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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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dass während deines ganzen Aufenthaltes der Mond so hell geschienen hat, dass die Gouverneurin das Licht auf dem Flughafen dämpfen musste, damit der Flieger vom Festland überhaupt landen konnte. Ich kenne die Geschichte schon. Die Logik habe ich übrigens nie begriffen.«
    Sie hört ein Grunzen. Und sieht einen Mann rote Ohrläppchen bekommen, knallrote Ohrläppchen. Die Farbe greift aufs Gesicht über. Auf Stirn, Wange, Kinn, Nase. Der ganze Mann flammt in Rot.
    Das gönnt sie ihm. Sagt kein einziges tröstendes Wort.
    »Tja, na ja, ich glaube fast, du hast Recht, Halvorsen«, sagt er schließlich, vergessen sind Röte und Scham. Vangi gelingt es meisterhaft, Unbehaglichkeiten abzuschütteln. »Ich glaube verdammt noch mal, du hast Recht, Anne-kin. Die Mädels sind sicher aus Polen, Tschechien, Estland, Litauen, Lettland eingeschmuggelt worden. Norwegen als Zwischenstation auf dem Weg in die weite Welt. Wir betreiben trotz allem keinen Menschenhandel, nicht hier in Trondheim zumindest, dieses Kaff ist zu klein, zu durchsichtig, sicher waren sie auf dem Weg zum Kontinent.«
    Anne-kin Halvorsen hat sich das auch schon überlegt, hat versucht, ihre Gedanken zu ordnen und festzustellen, woher, wie und wohin. Die Frage des Warum kann sie selber beantworten. Geld, Profit. Alles geht um Geld und Verdienst. Um darum und deshalb. Immer und ewig. Manchmal legal. Manchmal illegal. Aber die Triebkraft ist immer dieselbe: Geld. Die Wache in ihrer Kleinstadt erhält regelmäßig Informationen aus »der weiten Welt« ; über organisierten Frauenhandel, der fast so einträglich zu sein scheint wie der organisierte Drogenhandel. Anne-kin hat sehr viel gelesen, hat gelesen und mit den Zähnen geknirscht. Weil der Drogenhandel mit mindestens zehn Jahren Haft »belohnt« wird, wenn die Drahtzieher erwischt werden, während der »Frauenviehhandel« seinen Drahtziehern höchstens zwei Jahre einbringt. In der Gemeinschaft zum Besten aller, der EU, in der die engagierte schwedische Kommissarin Anita Gradin, die organisierte Kriminalität mit Frauen und Kindern, Import von Fleisch zur Prostitution, auf die Tagesordnung setzen wollte, wird das alles glatt und elegant unter den Teppich gekehrt. Die Regierungen der EU-Länder bestehen größtenteils aus Männern. Die das Generve der schwedischen Kommissarin zu Polizei und Rechtsstaat uninteressant findet. Randproblem, sozusagen. Es gibt wichtigere Dinge, für die sie ihre Zeit verwenden möchten. Das Zinsniveau, zum Beispiel.
     
    »Ich halte sie für urban«, sagt Anne-kin. Vang hat noch immer die Füße auf dem Tisch liegen und massiert seinen Bizeps.
    »Ach«, sagt er und hört auf damit.
    »Nur so ein Gefühl«, erklärt sie, ohne sich auf eine Diskussion über weibliche Intuition einzulassen. »Aber jetzt hat wirklich das ganze Krankenhaus nach ihr gesucht. Alle Etagen, Stationen, Zimmer, Wäscheschränke, Schränke, Klos und Duschen, Stationszimmer und Fernsehzimmer, Gänge, Fahrstühle, Keller und Garderoben sind auf den Kopf gestellt worden, mit dem einzigen Ergebnis, dass ein Schrank mit Schuhen, Bluse, Rock und Mantel leer ist. Die Nachtwache hat nichts gesehen, der Portier hat nichts gesehen. Niemand hat etwas Seltsames beobachtet, alle haben nur die üblichen Geräusche gehört, und das bedeutet, dass der ›Spatz‹ offenbar unversehrt ist. Dass sie wegwollte, fortwollte, dass sie eine Scheißangst hat. Und dass sie tüchtig ist. Es ist eine ziemliche Leistung ungesehen aus einem Krankenhaus zu entkommen.«
    »Auf der Flucht in Trondheim, geschunden und ohne Geld, darin liegt keine große Zukunft«, sagt Vang. »Es wird nicht schwer sein, sie zu finden.«
    »Nein, weder für uns noch für andere«, erwiderte Anne-kin leise.
    »Wir machen eine Kneipenrunde und sagen den Kellnern und ein paar von unseren festen Bekannten Bescheid und natürlich auch der Securitas und den anderen Wachgesellschaften. Vielleicht will sie zurück zum Hafen. Den nehmen wir uns dann auch gleich vor«, sagt sie dann.
    »Es ist nur eine Zeitfrage, bis die Zeitungen das erfahren, und dann machen sich vielleicht noch andere auf die Jagd«, sagt Vang und springt vom Stuhl hoch. »So move your ass, babe.« Und er versucht seine Enttäuschung zu verbergen, als Anne-kin sich nicht einmal dazu herablässt, die Augen zu verdrehen.

9
    »Nein, was denn, Kleine, war er gemein zu dir?« Sie fährt zusammen, sieht einen Mann, der sich an einer Hausmauer festhält, einen dunklen Schatten, der etwas sagt, das sie

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