Die Containerfrau
das deren Sache. Darauf scheißt sie doch glatt. Männliche Kontrollmechanismen, sonst nichts.
»Vielen Dank«, sagt sie. »Ja, ich hab wirklich Kaffeedurst.« Er führt sie durch einen Gang, der sauber riecht. Ein Hauch von Öl und Schiff, aber nach Fisch riecht es nicht. In der kleinen Messe dominieren Kaffeeduft und Zigarettenrauch. Der Aschbecher läuft vor Kippen fast schon über. Und in einer Ecke liegt auf der Bank ein hoher Zeitungsstapel. Er sieht, dass der ihre Blicke anzieht, zuckt gewissermaßen mit den Schultern.
»Ich finde irgendwie, wir müssen uns auf dem Laufenden halten«, sagt er und schiebt ihr einen Becher dynamitstarken Kaffee zu.
»Ja«, sagt sie nur und versucht ein Keuchen zu unterdrücken. Was für ein Kaffee! So richtig was fürs Magengeschwür, so einen starken hat sie noch nie getrunken.
»Nein, der ist wirklich nicht gut«, sagt er. »Nichts für eine Dame. Ich hole neuen.« Und dann verschwindet er durch eine Tür, die der Kombüse, nimmt sie an. Und fragt sich zugleich, warum der Jüngste sich nicht zu ihnen gesellt. Inzwischen lässt Anne-kin ihre Blicke umherwandern. Der Raum sieht so aus wie in ihrer Erinnerung. Bei ihrem ersten Besuch, während der Vernehmungen, war der Aschenbecher womöglich noch voller. Plötzlich hört sie eine Veränderung im Schiff, neben dem gleichmäßigen Surren des Hilfsmotors ist ein gröberes, massiveres Geräusch zu hören. Offenbar ist der Hauptmotor angeworfen worden. Anne-kin stutzt, erhebt sich und geht zur Tür.
»Nur ein Test«, hört sie, der Kapitän kehrt mit einer ungeöffneten Packung Kaffee zurück. »Um uns davon zu überzeugen, dass alles ordnungsgemäß funktioniert. Wir fahren heute Abend los.«
»Wo fischen Sie eigentlich?«, fragt sie, vor allem um überhaupt etwas zu sagen.
»Tja«, sagt er und widmet sich der Kaffeezubereitung. »Im Schlupfloch vielleicht?«
Anne-kin stellt keine weiteren Fragen, sie weiß nicht, wo das Schlupfloch liegt, sie kann sich nur an unangenehme Meinungsverschiedenheiten zwischen Norwegen und Island erinnern. Sie schaut aus einem Fenster oder Ventil oder wie immer das in der Seemannssprache heißen mag, um sich zu vergewissern, dass Kais und Hafenschuppen noch vorhanden sind. Alles unter Kontrolle, die Welt ist so, wie sie sie verlassen hat. Und jetzt riecht es nach trinkbarem Kaffee. Sie dreht sich um, der Kapitän sieht sie an. Sie will sich setzen, denn die Art, wie er sie anstarrt, gefällt ihr nicht. Er blickt ihr nicht ins Gesicht, seine Augen haften irgendwo zwischen ihrem Busen und ihren Oberschenkeln. Es ist eine dermaßen unverhohlene Musterung, dass sie sauer wird.
Bis sie blitzschnell erfasst, dass er weder ihre Brüste noch ihre Schenkel besabbert, sondern ihr Telefon anstarrt. Das Mobiltelefon, das an ihrem Gürtel befestigt ist. Einem Gürtel, der unter ihrer offenen Jacke sehr gut zu sehen ist. Etwas passiert mit dem Mann, etwas passiert mit der ganzen Atmosphäre in der kleinen Messe. Die Veränderung ist so greifbar, so unheimlich, dass Kommissarin Halvorsen sich keine Zeit zur Analyse nimmt. Sie will weg hier. Raus. Weg aus einer Situation, die ihr langsam aufgeht. Handy. Lauschangriff. Jedenfalls auf das alte, ihr GSM.
»O verdammt«, sagt sie und schaut rasch auf die Uhr. »Ich hab einen Termin vergessen. Der Kaffee muss warten.« Und schon hat sie die Messe verlassen und rennt durch den engen Gang. Hört ihn rufen, hört, dass er dicht hinter ihr ist. Sie gleitet durch die Tür und über das Deck, sieht den Jüngsten mit seinem misshandelten Gesicht dort stehen, hört hinter sich Schritte und klettert schnell von Bord, stemmt ihre Absätze gegen einen festen Betonkai. Und ist an Land. Sieht, dass der Gabelstapler anhält, sieht, dass die Mannsbilder im Hafen sich umdrehen und glotzen. Erst jetzt wagt sie sich umzudrehen und den beiden Männer an Deck zuzurufen:
»Tut mir Leid, aber diesen Termin kann ich einfach nicht sausen lassen. Gute Heimreise! Und Petri Heil!« Und dann läuft sie über den Beton und sieht dabei den glotzenden, grübelnden Kapitän vor sich. Einen Mann, der die Fäuste an seine Seiten presst. Die geballten Fäuste.
Als sie außer Sichtweite ist, lehnt sie sich an die raue graue Betonmauer des Bunkers. Atmet auf. Sieht einen Eingang und schlüpft hinein, greift zum Handy und gibt Sundts Nummer ein. Kommt nicht durch. Ist ja auch kein Wunder, die Betonmauern sind meterdick, das Dach auch. Deutscher Beton, vermutlich armiert mit Eisen und russischen
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