Die Containerfrau
Kriegsgefangenen.
Die pure Handysperre. Sie geht weiter, tritt von den Bunker und wählt noch einmal Sundts Nummer. Kommt durch. Er klingt überhaupt nicht müde, er liegt einwandfrei nicht zu Hause in einem breiten Ehebett. Er ist im Dienst.
»Hallo, ich bin’s, Kommissarin Halvorsen«, lautet ihre Einleitung.
»Und frag bloß nicht, warum ich wach bin und überhaupt, ich rufe an, weil unser Fischkutter, der Trawler, der Gefriertrawler, dessen Kapitän … Als er mein Handy gesehen hat, ist er reichlich komisch geworden … Ich glaube, die haben absolut Dreck am Stecken … Du musst eine Streife schicken, sie machen sich abfahrbereit … Der Jüngste ist übel misshandelt worden, also erzähl mir nicht, eine Frau hätte ihm diese vielen Blautöne ins Gesicht gemalt, und was den Fernfahrer angeht, bin ich mir auch nicht so sicher, den, der immer wieder nach Polen fährt, der ist heute hier im Hafen aufgetaucht und … Aber Himmel, wie der reagiert hat, als er mein neues Handy gesehen hat. Der Kapitän, meine ich.« Sie schnappt nach Luft.
Hört zuerst nur Schweigen. Dann kommt der Lärm.
»Worauf willst du hinaus?«, fragt Sundt. »Und von wo rufst du an?«
»Aus Nyhavn«, antwortet Anne-kin. »Ich bin in Nyhavn. Stehe vor dem Bunker …« Sie liest ein Schild. »War eben zu einem unvollendeten Kaffeeklatsch an Bord und habe mich bedroht gefühlt. Da stimmt etwas nicht«, endet sie.
»Bei dir auch nicht«, feuert die Stimme des Chefs. »Hatte ich dich nicht schlafen geschickt, oder was?« Kommissarin Halvorsen seufzt.
»Du hast also nichts Konkretes«, sagt jetzt Sundt, »abgesehen davon, dass du dich plötzlich bedroht fühlst? Wollte jemand Halvorsen anbaggern?« Sundts Stimme klingt widerlich. »In dem Fall hat wohl eher er sich bedroht gefühlt.« Sie möchte den fantasielosen Pedanten von Hauptkommissar anheulen. Ihm die Leviten lesen.
»Verstehst du, Halvorsen«, sagt er jetzt. »Mannschaft und Schiff sind aus dem Fall herausgecheckt. Und was du erzählst, reicht nicht, um noch eine Runde mit ihnen zu machen.« Annekin knirscht mit den Zähnen, die Medien sind an Sundts Beschluss, vorsichtig vorzugehen, keine Fehler zu machen, schuld. Er will keine Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass sie nicht weiterkommen. Sie knirscht nicht mehr mit den Zähnen, sondern wetzt ihre Zunge. Sagt laut, was sie seit einiger Zeit denkt.
»Haben wir uns jemals an die Maschinenfirma gewandt, an den Reparateur, der an Bord was auch immer wieder flottmachen sollte? Haben wir das?« In der kleinen Pause, die jetzt folgt, geht Anne-kin auf, dass sie wirklich ins Schwarze getroffen hat.
»Nein«, antwortet Sundt, ein wenig unsicher. »Das haben wir nicht.« Er hat begriffen. Chef Sundt hat die Sache kapiert.
»Dann schickst du einen Wagen?«, fragt Anne-kin.
»Eine Zivilstreife«, lautet die Antwort.
Bald darauf stehen zwei Kollegen vor ihr und teilen ihr mit, dass sie nichts unternehmen darf, ehe die Wache sich gemeldet hat. Sie stellen ihren Wagen außer Sichtweite des Trawlers ab, können aber den Überbau sehen, sie wissen, dass er noch am Kai liegt. Und sie werden sehen, wann er ablegt.
»Die Wache hat ein Hinweistelefon eingerichtet«, sagt der eine plötzlich. Er dreht das Autoradio lauter, wo gerade Lokalnachrichten gesendet werden.
»Die Polizei bittet alle, die im fraglichen Zeitraum in Møllenberg etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört haben, sich unter der Nummer … Jede Information kann wichtig sein, deshalb …«
»O Herrgott«, stöhnt ihr Kollege. »Das ist doch eine Aufforderung an alle Verrückten in der Stadt, der gesamte ›Freies Wort‹- und ›Stellvertretend für uns alle‹-Klan wird sich darauf stürzen. Reicht es nicht, dass wir in allen Häusern nachgefragt haben?«
»Nein«, antwortet Anne-kin Halvorsen. »Tut es nicht.« Sie findet es gut, dass Sundt diese Initiative ergriffen hat. Obwohl das ellenlange Hinweise bedeutet, verwirrte Menschen und neue Überstunden, egal. Man sollte die Öffentlichkeit nie unterschätzen. Vor allem die, die niemals anrufen würden, die eine Art Entschuldigung dafür brauchen, sich an die Polizei zu wenden. Jetzt hat Sundt ihnen eine geliefert.
Bravo, Sundt, denkt sie. Gut, dass du die Ermittlungsleiterin überreden konntest. Oder hatte Frau Riis vielleicht Sundt »überredet«? Egal, wie, jetzt sind weitere Augen und Ohren und nicht zuletzt Erinnerungsvermögen aufgefordert. Annekin Halvorsen findet das wunderbar. Und sagt in Gedanken ganz
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