Die Containerfrau
Erlaubnis beantragt hatten, die Handys in der kriminellen MC-Szene zu überprüfen«, vollendet Kommissarin Halvorsen. Doch, daran kann sie sich erinnern. Die Sache ist vor dem Obersten Gericht geendet, weil es um prinzipielle Entscheidungen ging, um Datenschutz.
»Aber danach frage ich doch gar nicht«, sagt Anne-kin. »Es geht mir nicht um die Beschaffung von Mobiltelefonrechnungen vom Fernmeldeamt, mir geht es um …«
Sundt hebt eine Hand.
»Dir geht es um eine noch schlimmere Grauzone«, sagt er. »Um die Suche nach einem illegalen Empfänger, der sich auf dich und deine Frequenz eingepeilt hat.« Anne-kin nickt. Genau darum geht es ihr.
»Das Einfachste wäre natürlich, das zu erledigen, ohne um Erlaubnis zu fragen«, hört sie Sundt murmeln. »Einfach geschickt genug sein, ohne das irgendwem auf dem Nase zu binden.« Kommissarin Halvorsen ahnt eine Hoffnung, vielleicht wird Sundt, der Vorschriften- und Paragraphenreiter Sundt dieses eine Mal …
»Nein, Halvorsen«, sagt er mit einem schrägen kleinen Lächeln. »Wir werden uns in den Grenzen des Erlaubten halten müssen. Du und ich und die ganze Wache. Wir arbeiten wie die Besessenen«, fügt er hinzu. Das weiß ich, denkt Anne-kin, das weiß ich ja so gut; sie sind beide gleichermaßen besessen. Sie selbst zumindest. Wenn sie sich mit der Hand über die Stirn fährt, dann zischt es fast schon. Weil ihre Stirn glühend heiß ist und ihre Hände schweißnass. Und deshalb nickt sie nur brav, als er sagt: »Aber jetzt gehst du erst mal schlafen. Und«, fügt er hinzu, »du wirst nicht bei dir zu Hause schlafen. Du wartest hier, bis ich die Fahndungsleiterin informiert habe. Erst schaltest du dein Handy aus, und dann spendiert die Truppe dir ein Hotelzimmer. Warte hier.« Und weg und verschwunden ist der gute Sundt.
Kommissarin Halvorsen liest den Ordner vom Boden auf und stellt ihn zurück in das Regal für die Hausmitteilungen. Wartet. Und gleich darauf ist ihr Chef wieder da.
»Sie hat gesagt … Frau Riis bittet dich dein Handy abzugeben. Nimm das hier.« Er reicht ihr ein Neues. Ein NMT. »Und das lässt du eingeschaltet«, sagt er. »Außerdem wird dir auf Kosten des Hauses ein Hotelzimmer bewilligt. Hast du einen Wunsch?«
»Nach Hause«, sagt Anne-kin. »Ich möchte mir lieber meine liebe, vertraute Decke über den Kopf ziehen.« Sundt schüttelt den Kopf. »Royal Garden«, schlägt er vor. Anne-kin schnaubt. Einmal, als sie und Stein-Jørgen sich ein Amore-Festmahl mit Schampus und danach eine Amore-Nacht im Royal Garden gegönnt hatten, wurden sie ab zehn jede halbe Stunde von übereifrigen Zimmermädchen geweckt. Sie hatten in ihrem Schampus- und Leidenschaftsrausch zwar vergessen, das »Bitte nicht stören« -Schild auszuhängen, aber trotzdem …
»In Lilleby gibt es ein gemütliches Appartement-Hotel«, sagt sie. »Da machen sie sich nicht die Mühe, die Gäste zu wecken, weil sie putzen wollen. Sie runden einfach deine Stundenzahl auf. Und putzen später.«
»Zivilwagen«, sagt Sundt. »Ich fahre dich in einem Zivilwagen hin. Aber bist du sicher, dass dieses … dass dieses Appartementhotel …« Anne-kin muss trotz ihrer Müdigkeit lächeln. Sundt scheint alles, was auf dem Osrufer gelegen ist, für suspekt zu halten, hält die Viertel Lamoen und Lilleby für zu gefährlich für kleine süße Polizeibeamtinnen wie sie. Die Viertel, in denen sie aufgewachsen ist. Er selbst stammt aus einem stillen Dorf, in dem zu den samstäglichen Festen Schwarzgebrannter in Melkeimern mitgebracht wurde. Sicher und geborgen.
»Familienhotel«, sagt sie. »Das ist ein anständiges, solides Familienhotel. Ich kenne die Inhaberin. Bekannte von früher her, die die Mietskaserne ihres Großvaters geerbt und dann zum Hotel umgebaut hat. Ich glaube, sie hält den Kopf über Wasser.«
Der Zeitpunkt ist ein wenig seltsam, aber sie wird eingelassen. Lässt sich das Zimmer, genauer gesagt, die Wohnung zeigen, schaut zwischen den Vorhängen hinaus und sieht, wie Sundt in der Sackgasse zur Straßenbahnstraße steckenbleibt. Einer Straße, die Jarlevegen heißt, und bei der sich kaum noch jemand daran erinnern kann, dass dort früher die Straßenbahn nach Lade fuhr. Für Anne-kin Halvorsen wird sie bis in alle Ewigkeit »Straßenbahnstraße« heißen. Dann wendet ihr Chef, findet die Ausfahrt in Form der Gardemoens gate und des Lavegs, der eigentlich Ladeveg heißt, und die Zivilisation hat ihn wieder.
Und das Bett hat Kommissarin Anne-kin Halvorsen. Wohl
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