Die Containerfrau
amerikanischen Gangsterfilm entsprungen zu sein, er sieht aus wie der Prototyp, das Klischee eines Leibwächters. Er strotzt nur so vor Testosteronmuskeln, einmal tief einatmen, und sein Sakko platzt. Seine Mutter hat ihn sicher einmal für einen niedlichen Knaben gehalten, jetzt sieht er kein bisschen niedlich mehr aus. Sondern nur noch blöd. Für einen Moment. Dann bricht er in Hektik aus, versperrt den Weg, will noch einmal den Dienstausweis sehen, fragt, worum zum Teufel es hier geht, wer sich beklagt hat und warum. Sie haben weder laute Musik gehört noch die Nachbarn auf andere Weise gestört und … Sein Wortschwall wird von einer Stimme unterbrochen, die weiter hinten im Gang sagt:
»Lass die Polizei doch hereinkommen, Hans, du musst die Polizei hereinkommen lassen. Dann können wir über alles reden. Kommen Sie doch!« Der Sakko tragende Mann spricht gut Norwegisch, hat aber einen deutlichen Akzent. Und jetzt versperrt er den Weg in den hinteren Wohnungsteil. Doch die Türen zu drei Zimmern, die von der Diele aus zu sehen sind, stehen halb offen, und der Anblick, der sich dort offenbart, lässt Britt Verstärkung rufen.
»Warum noch mehr Polizei«, fragt der Elegante und breitet die Arme aus. »Ich sehe mir Wohnung an, vielleicht zum Mieten, vielleicht nicht. Muss aufgeräumt werden. Chaos. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
Komischer Zeitpunkt für eine Wohnungsbesichtigung, denkt Svein und bittet um die Personalien. Name, Adresse, Beruf. Hormon-Hans will nicht, sieht nicht ein,, wozu das gut sein soll, er runzelt die Stirn und muss von seinem Chef zur Ordnung gerufen werden. Denn es muss der Chef sein, der Sakko tragende Mann strahlt eine Autorität aus, die den anderen in einen braven Buben verwandelt.
»Wir würden gern einen Blick in die Wohnung werfen«, sagt Svein und tritt einen Schritt vor. In diesem Moment hören sie vor der Wohnung Schritte. Meine Güte, sind die Kollegen heute schnell, denkt er und steht plötzlich etwas gegenüber, das nun wirklich nichts mit der Trondheimer Wache zu tun hat. Eine Sekunde genauer Musterung, Aug in Aug, dann machen die beiden Männer, die vor der Tür stehen, auf dem Absatz kehrt, klappern über die perforierte Stahlbrücke und gleiten im Haus nach unten. Die Verstärkung von der Wache, die drei Minuten später eintrifft, hat weder fliehende Menschen noch ein anfahrendes Auto gesehen. Spurlos verschwunden.
»Kenne diese Menschen nicht«, sagt der Mann, der sich als Victor Bussni vorgestellt hat. »In der Adresse geirrt, kenne sie nicht.«
In der Adresse geirrt? Um sechs Uhr morgens in einem Wohnhaus mit Gegensprechanlage? Britt verdreht die Augen. Auch die anderen schweigen zu dieser Behauptung. Aber die Vögel sind ausgeflogen.
»Bitte, gehen Sie durch den Flur und öffnen Sie die Tür dort hinten«, sagt Svein mit einem Nicken. »Dann reden wir weiter. Alles klar?«
Sie betreten ein Wohnzimmer. Oder einen Raum, der als Wohnzimmer geplant war. Jetzt hat er keine große Ähnlichkeit mit einem solchen. Nichts in dieser Wohnung hat große Ähnlichkeit mit einem Wohnraum, die Kinderzimmer sind absolut keine Kinderzimmer, es gibt kein einziges Donaldbild an den Wänden, keine Fußballhelden oder Popstars, keine Spur von Spielzeug oder unaufgeräumten Schreibtischen, von in die Ecken geworfenen Schultaschen und Turnhemden und Turnschuhen. Es fehlt die Pinnwand mit den Merkzetteln, es fehlt alles. Britt geht nicht mit den anderen ins »Wohnzimmer«, sie geht von einem Zimmer zum anderen, öffnet Türen, schaut sich um. Denkt, das ist nicht möglich, das ist nicht wahr, dass es so etwas hier geben kann. Dann geht sie zu den anderen ins Wohnzimmer.
Schwere Vorhänge verbergen die Fenster, im Zimmer herrscht Chaos, was heißt, es herrscht Aufbruch. Manches ist verpackt worden, anderes liegt herum. Aber Chaos oder nicht, Aufbruchphase oder nicht, verbergen lässt sich nichts. Oder wegdiskutieren. Dass es sich bei dieser verdammten Wohnung um ein Massage-Bordell-Nuttenhaus-Unternehmen handelt. Der Geruch von Öl und Parfüm, von Männern und Brunst hängt in den Wänden. In Kinderzimmern und Wohnzimmer. Die Küche enthält Tresen und Barschrank. Flaschen. Erdnüsse in Schälchen und glitzernde Kristallgläser. Ein Archiv. Einen kleinen Aktenschrank, den ihre Kollegen beschlagnahmen. Victor Bussni versucht sie mit einem Wortschwall aus allem wegzureden, der Mann lässt nicht locker, er kann fast alles erklären. Nur ihre Fragen kann er nicht beantworten. Die
Weitere Kostenlose Bücher