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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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Wohnung gehört ihm nicht, er will sie nur mieten, warum sie so aussieht, weiß er wirklich nicht, wer eben vor der Tür stand, ist ihm, wie gesagt, restlos unbekannt. Ansonsten ist er ein so guter Norweger wie alle anderen, fast zumindest. Er lebt seit »vielen achtzehn Jahren« in dieser Stadt und ist ein angesehener Unternehmer. Er drückt der Polizei eine Visitenkarten in die Hände. Verkauf & Service, steht darauf, Drehbänke und Industriemaschinen. Svein ist diese Firma bekannt, sie kommt auf irgendeine Weise über die Runden, mit russischem Stahl, der bei der anspruchsvollen norwegischen Industrie keine Begeisterung auslöst. Billige Produkte, das schon, aber miese Qualität.
    »Wir schließen die Wohnung, sie wird versiegelt«, sagt er zu den anderen. »Und die beiden Herren nehmen wir mit auf die Wache. Zum Gespräch.« Bussnis Protestrede ist laut und lang.
    »Warum? Warum? Warum?«, fragt er und fuchtelt mit den Armen.
    »Herrgott, Mann«, sagt ein Polizist. »Schauen Sie sich doch um! Wir stehen hier doch mitten in einem Bordell! Die Frage ist nur, was Sie mit den Damen angestellt haben.« Er öffnet die Wohnungstür und schiebt die anderen hinaus. Bussni und Hormon-Hans, die derweil die Wand anfauchen, werden abgetastet. Keine Waffen.
    »Kommst du«, ruft er nach hinten, seiner Kollegin Britt zu. Sie hat die Tür mit dem Herzchen geöffnet und ist hineingegangen. Sie hören Leitungen rauschen. Dann kommt sie wieder zum Vorschein. Zwischen Zeigefinger und Daumen baumelt ein triefnasser Revolver.
    »Alter Trick«, sagt sie. »Die Knarre im Spülkasten verstecken.«
    Was jetzt aus Victor Bussnis Mund strömt, ahnen sie nicht. Sie können schließlich kein Russisch.
     
    Die zweite Streife nimmt die beiden mit auf die Wache. Zum Gespräch. Britt und Svein bleiben zurück, versiegeln die Wohnung und klingeln bei Frau Lauritsen. Sie müssen viele Male schellen, ehe die Dame die Tür einen Spaltbreit öffnet. Die Sicherheitskette bleibt geschlossen. Die Gnädige faucht, dass sie in nichts hineingezogen werden will, das war doch so abgemacht, oder was? Als sie angerufen hat. Ja, das stimmt. Die alte Dame fragt und antwortet zugleich. Aber wenn die Polizei unbedingt mit ihr reden will, dann sollen sie hereinkommen. Jetzt, wo die anderen weg sind.
    Sieh an, hinter ihren Vorhängen hat sie alles im Blick, denkt Britt. Sie werden in die Wohnung gelassen und nehmen Dame und Lokalitäten in genaueren Augenschein. Es gibt hier nicht ein einziges Häkeldeckchen, keinen bestickten Läufer, weder Geranien auf der Fensterbank noch andere Topfblumen. Dagegen stehen und hängen überall Figuren, Theaterfiguren, Puppen und lange Stoffbahnen, von Wänden und Decken, sie sehen große Plakate und Originalkunst nebeneinander, ein nach Westen gewandtes Fenster ist mit Tomaten gefüllt, mit winzigen knallroten Tomaten. Die Wohnung hat absolut keine Ähnlichkeit mit der Wohnung einer alten Dame. Das Einzige, was sich mit Alter in Verbindung bringen lässt, ist ein Vergrößerungsglas auf dem Schreibtisch. Es liegt vor dem Computer. Der ausgeschaltet ist.
    Ihnen werden zwei Becher Tee angeboten, genauer gesagt, in die Hände gedrückt, noch ehe sie sich gesetzt haben. Der Tee riecht nicht im Geringsten nach Lipton’s oder Earl Grey. Er riecht nach Kräutern, nach Hexensud. Und die Dame selber sieht aus wie eine, die einige Jahrhunderte zuvor garantiert auf dem Scheiterhaufen gelandet wäre. Sie ist klein und dunkel. Nein, schwarz. Kohlschwarz ist sie. Zumindest ihre Haare. Und sie hat die blauesten Augen, die Britt je gesehen zu haben glaubt. Seit trägt eine weite Hose wie der Kleine Muck und darüber einen japanischen Kimono. Sie ist kugelrund. Und wach. Sehr wach.
    »Ich habe erst jetzt angerufen«, sagt sie, ehe ihre Gäste auch nur eine einzige Frage stellen können. »Aber ich habe mir so meine Gedanken über diese ›Inger Andresen‹ gemacht. Sie hat einen riesigen Freundeskreis, habe ich gedacht, kennt ja wirklich unglaublich viele Männer. Doch dann hat sie vor einigen Monaten ein neues Türschild angebracht. Inger Andresen, System Consult, stand darauf. Und da konnte ich mir diese Rennerei bei ihr besser erklären.«
    »Arbeiten Sie zu Hause?« Britt kann eine Frage dazwischenschieben.
    »Ich bin Rentnerin«, lautet die nachdrückliche Antwort. »Ich brauche nicht mehr zu arbeiten. Ich spiele, ich erschaffe. Ich kann den Tagesablauf auf den Kopf stellen, wenn ich will. Ich fühle mich wie die Made im Speck. Ich … nein,

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