Die Corleones
Santino«, sagte sie und blickte zu ihm hoch.
Als die Stille ein wenig zu lange währte, schaute Sonny zur Bühne hinüber. »Er ist ein bisschen verrückt, unser Johnny«, sagte er. »Mein Vater hat ihm einen Job als Nieter auf einer der Schiffswerften besorgt, aber er möchte unbedingt Sänger werden.« Sonny zog ein Gesicht, das zeigen sollte, dass er Johnny nicht verstand. »Aber er hat eine tolle Stimme, was?« Als Sandra nur nickte, fügte er hinzu: »Seine Mutter ist wirklich eine Nummer.
Madon’!
«
»Was ist mit seiner Mutter?«, wollte Sandra wissen. Sie hob das Weinglas und trank einen ordentlichen Schluck.
»Eigentlich nichts. Sie ist ein bisschen verrückt, das ist alles. Von ihr hat Johnny es wahrscheinlich. Sein Vater ist Brandmeister. Ein guter Freund der Familie.«
Sandra hörte aufmerksam zu, während Johnny das Lied von Nino begleitet zu Ende sang. »Sie machen beide einen netten Eindruck«, sagte sie dann.
»Die sind klasse«, sagte Sonny. »Erzähl mir von Sizilien. Wie war es, dort aufzuwachsen?«
»Ein Großteil meiner Familie ist beim Erdbeben umgekommen.«
»Oh. Das wusste ich nicht. Tut mir leid.«
»Das war vor meiner Geburt«, erwiderte sie, als wollte sie Sonny damit sagen, dass er sich dewegen keine Gedanken machen musste. »Alle meine Verwandten, die überlebt haben, haben Messina verlassen und sind nach Amerika ausgewandert. Manche sind später wieder zurückgekehrt und haben noch einmal von vorne angefangen. Also habe ich, obwohl ich aus Sizilien stamme, immer von dem wunderbaren Amerika gehört und was für ein tolles Land es ist.«
»Warum sind sie dann zurückgegangen?«
»Keine Ahnung. Sizilien ist herrlich«, fügte sie dann hinzu. »Ich vermisse die Strände und die Berge, vor allem Lipari – da waren wir immer in Ferien.«
»Wie kommt es, dass ich dich nie Italienisch reden höre?«, fragte Sonny. »Nicht einmal mit deiner Großmutter.«
»Meine Eltern haben meistens Englisch gesprochen, und meine Verwandten auch. Sie haben mich auf die Schule geschickt, damit mein Englisch besser wird … und jetzt ist es besser als mein Italienisch!«
Darüber musste Sonny lachen, und von weiter hinten, von den Tischen vor der Bühne, wo Nino mit Johnny herumblödelte, ertönte ebenfalls ein lautes Lachen.
»Das Essen …«, flüsterte Sandra, als wollte sie Sonny warnen, dass der Kellner im Anmarsch war. Ein großer, gutaussehender Mann mittleren Alters, der mit einem französischen Akzent sprach, tauchte neben ihrem Tisch auf. Er stellte zwei zugedeckte Teller vor sie hin, und während er mit großer Geste die Silberhaube herunterriss, verkündete er, was darunter zum Vorschein kam. »Cordon bleu vom Huhn«, sagte er zu Sandra. »Und ein Porterhousesteak halb durch für den Herrn«, was für Sonnys Ohren allerdings eher wie »Putenhaussteak« klang. Der Kellner wartete einen Moment, ob die Gäste noch etwas wünschten, und als sie schwiegen, verbeugte er sich knapp und ging.
»Meint der vielleicht, wir hätten vergessen, was wir bestellt haben?«, fragte Sonny und äffte den Akzent des Kellners nach. »
Puhter’aussteik!
«
»Schau«, sagte Sandra, die sich wieder der Bühne zugewandt hatte. Johnny war gerade unter höflichem Applaus vom Podium gestiegen und bahnte sich einen Weg zu ihrem Tisch.
Sonny stand auf, um ihn zu begrüßen. Sie umarmten einander und klopften sich auf den Rücken. »Oh!«, sagte Johnny und deutete auf das blutige Steak auf Sonnys Teller. »Bist du sicher, dass das tot ist?«
»Johnny«, sagte Sonny, ohne auf seinen Witz einzugehen, »darf ich dir meine zukünftige Ehefrau vorstellen?«
Johnny trat einen Schritt zurück und sah Sonny an, als wartete er auf die Pointe. »Meinst du das ernst?«, fragte er schließlich. Sandra legte die Hand neben ihrem Teller auf das Tischtuch; der Diamant an ihrem Finger war nicht zu übersehen. Johnny schüttelte Sonny die Hand. »Das ist ja nicht zu fassen. Gratuliere, Sonny!« Dann streckte er Sandra die Hand hin. Als sie, ohne aufzustehen, etwas unbeholfen danach griff, beugte er sich darüber und küsste sie. »Wir gehören jetzt zur selben Familie. Sonnys Vater ist mein Patenonkel. Ich hoffe, du denkst künftig als dein Bruder von mir.«
»Yeah, als
Bruder
«, sagte Sonny und versetzte Johnny einen Schubs. Zu Sandra sagte er: »Vor dem musst du dich in Acht nehmen.«
»Und natürlich werde ich bei eurer Hochzeit singen«, sagte Johnny zu Sandra und fügte an Sonny gewandt hinzu: »Ich mach dir auch einen
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