Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
sich bemüht hat, der Polizei zu entkommen, halte ich es für ratsam, ihn heute Nacht wegen Fluchtgefahr hierzubehalten.“
Plötzlich sprang Byron auf und klammerte sich an den Gitterstäben fest. An Melissa und Tom vorbei sah er zu Steven. „Können die das machen?“, rief er. „Können die mich festhalten, ohne mich anzuklagen?“
Steven stellte sich zu ihnen. Melissa sah ihn aus dem Augenwinkel an, sagte aber nichts.
„Kommt drauf an“, antwortete Steven.
„Ich kann die Anklage auch jetzt gleich erheben“, ließ Melissa Byron mit warnendem Unterton wissen, „falls es das ist, was Sie wollen.“
Steven seufzte, und Byron wandte sich ab.
„Na, das ist ja bestens gelaufen“, stellte Tom fest und bückte sich, um Elvis zu streicheln.
Als Melissa sich umdrehte, stellte sie verwundert fest, dass Velda verschwunden war.
„Ich habe Mrs Cahill gebeten, in meinem Wagen zu warten“, erklärte Steven. „Ich bringe sie nach Hause.“
„Das ist sehr nett von dir“, gab sie ohne jede Betonung zurück.
„Du kannst auch nach Hause gehen“, meldete Tom sich zu Wort. „Für den Rest der Nacht passiert hier nicht mehr viel.“
Behutsam berührte Steven ihren Ellbogen. „Komm, ich setze dich auf dem Weg zu Hause ab.“
„Nein, danke“, erwiderte sie mit einem abweisenden Unterton. „Ich werde jemanden anrufen.“
Steven und Tom sahen sich kurz an, dann zog Letzterer sich zurück und pfiff Elvis zu sich, der jedoch vor der Zellentür verharrte und den Gefangenen beobachtete.
„Ich würde gern mit dir unter vier Augen reden“, sagte Steven, woraufhin Melissa nur knapp nickte und ihm nach draußen in den Korridor folgte.
Sie wunderte sich über sich selbst, da sie als Erste zu reden begann. „Du weißt verdammt gut, dass du es moralisch nicht verantworten kannst, Cahill zu verteidigen“, warf sie ihm an den Kopf. „Nicht wenn ich die Staatsanwältin bin.“
„Und du willst ihn anklagen?“
„Natürlich will ich das. Das ist mein Job.“
„Ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass er unschuldig sein könnte, wie er es ja auch behauptet?“
„Er wird einen Pflichtverteidiger bekommen“, erklärte sie ihm.
„Nein“, widersprach er frostig. „Das wird er nicht.“
„Du kannst ihn nicht verteidigen!“
„Warum nicht?“
„Na, wegen … wegen …“
„Wegen uns?“
„Ja“, gab sie zu und kämpfte gegen das demütigende Verlangen, auf der Stelle in Tränen auszubrechen.
„Ja, du hast recht“, stimmte er ihr in seinem unverändert kühlen Tonfall zu. „Wir beide können uns nicht vor Gericht gegenüberstehen. Aber ich kenne ein paar Anwälte, die bereit sein werden, den Fall ohne Honorar zu übernehmen.“
„Warum klammerst du dich so an den Fall?“
„Weil ich Cahill für unschuldig halte.“
„Er wurde mit der Maske und dem Geld erwischt. Wie soll er da noch unschuldig sein?“
„Frag den Hund“, sagte er, machte auf dem Absatz kehrt und ging, während Melissa allein vor dem Büro des Sheriffs stehen blieb.
„‚Frag den Hund‘?“, murmelte sie. „Was soll denn das nun wieder heißen?“
Sie öffnete die Tür und kehrte zurück in Toms Büro. Elvis saß immer noch vor Byrons Zelle, der bäuchlings auf dem Feldbett lag, während der Sheriff an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte und etwas in den Computer eintippte.
Melissa setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch und sah zu Elvis.
„Was hat dein Hund?“, fragte sie nach einer Weile.
„Keine Ahnung“, gab Tom seufzend zurück. Er sprach so leise, dass Byron ihn nicht hören konnte. „So hat sich Elvis noch nie aufgeführt. Ehrlich gesagt irritiert mich sein Verhalten ein bisschen.“
„Warum?“ Sie wünschte, sie wäre zu Hause und würde in ihrem Bett liegen, und sie wünschte, diese Nacht hätte sich nie ereignet. Und noch mehr wünschte sie, sie wäre Steven Creed niemals begegnet.
„Na ja“, antwortete der Sheriff nach einer langen Pause. „Bislang hat sich Elvis eigentlich noch nie im Charakter eines Menschen getäuscht.“
Offenbar war dies die Nacht, in der Steven Frauen nach Hause begleitete. Nach Tessa brachte er nun Velda Cahill zur Tür ihres rostigen Wohnwagens. Auf der aus vermutlich hier und da geklauten und nicht zusammenpassenden Holzbrettern gezimmerten Veranda grinste ihn ein Plastikgartenzwerg an.
Die Tür ging auf, und Melissas Assistentin Andrea sah ihnen entgegen, der trotz der schlechten Lichtverhältnisse anzusehen war, dass sie in Tränen aufgelöst
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