Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Crock-Expedition

Die Crock-Expedition

Titel: Die Crock-Expedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. McIntosh
Vom Netzwerk:
ausdrücken konnte – dauerte ein Chrono zwischen fünf und zwanzig Stunden. In der subjektiven Zeitverschiebung – nun was die Zeit innerhalb der Zeitfalte betraf, empfahl sich bei allen Feststellungen äußerste Vorsicht. Für ihn, wenn auch nicht für seinen Magen, waren es vier Monate gewesen. Kein ausgedehnter Trip. Sie konnten Jahre umfassen.
    Hirn, Herz und Verdauung gingen in der Zeitfalte verschiedene Wege. Blake hatte einmal die ganze Bibel gelesen, das Alte und das Neue Testament, ohne aufzustehen, ohne zu essen. Anschließend hatte er sich weder wundgesessen noch Müdigkeit oder Hunger empfunden. Er hatte sich während der gesamten Lektüre nicht vom Platz bewegt, den Sessel ganz einfach nicht gespürt, und nachher nicht einmal das Bedürfnis zum Urinieren gehabt.
    Als Anfänger pflegte man die Subjektivdauer eines Chronos nach der Anzahl der Mahlzeiten und Nachtruhen einzuschätzen. Aber auch das klappte nicht. Es war möglich, daß man nach scheinbar sechs Jahren weder Hunger noch Durst verspürte, aber man konnte nach scheinbar sechs Stunden auch heißhungrig sein.
    Die erste Person, der er begegnete, war Rachel.
    »Die Hilfe, die du wolltest …«, sagte er.
    Sie grinste. »Nach meiner Schätzung war das vor drei Jahren«, antwortete sie. »Seit zwei Jahren und zehn Monaten bin ich fertig.«
    »Und du hast mir verziehen? Du mußt, denn du lächelst.«
    »Ken, du bist alles mögliche – unter anderem ein Lump, ein Tyrann und ein Ekel. Aber du bist kein Langweiler, und ich habe dich vermißt.«
    »Kein Chronophantasmus?«
    »Noch nicht. Ich habe jede Minute durchleben müssen. Ich habe Dickens zu lesen begonnen.«
    »Wie gehtʼs dem Alten?«
    »Oh, der ist ebenfalls auf einem Trip. Mit ihm ging’s in der gleichen Minute los wie bei dir.«
    »Wo ist er?«
    »Ich habe ihn in seine Kabine geschafft. Man kann einen Ersten Offizier an einer Schnur im Korridor schweben lassen, aber dem Ansehen eines Kommandanten wäre das abträglich.«
    »Wer führt das Kommando?«
    »Was gibtʼs zu kommandieren?« entgegnete sie spöttisch.
    Ein guter Erster Offizier vermochte sein Schiff auch im seltsamen Zustand des Überlichtflugs zu erfühlen. Auf dem Weg zu Rachels Dunkelkammer hatte er wenig erkennen können, aber er spürte, daß es einwandfrei flog. Jemand hatte dafür gesorgt. »Du?« fragte er.
    Sie nickte. »Reichlich komisch, aber niemand hatte etwas dagegen. Ich habe die Kommandogewalt nicht an mich gerissen. Die anderen haben sie mir überlassen.«
    Er war keineswegs verwundert. Nach einem Dienstjahr in CHART vermochte Rachel an Bord des Schiffs so gut wie alle Funktionen auszuüben, eine Fähigkeit, die ihr nicht immer zum Vorteil gereichte; wahrscheinlich war sie die einzige CHART-Fotografin, die jemals ein Überlichttriebwerk zu kontrollieren gelernt hatte, und höchstwahrscheinlich die einzige Frau in der Navy, der man so etwas zutrauen konnte. Sie trug Verantwortung und Befehlsgewalt, wenn es sein mußte, mit Gelassenheit, aber ohne Freude daran. Sie gab das Kommando stets gerne zurück.
    Zweifellos war die Tatsache, daß sein Erwachen nun die Möglichkeit dazu bot, der Grund ihrer ungewöhnlichen Freundlichkeit, deren sie sich nun befleißigte – und, wie sie gesagt hatte, der Umstand, daß seit ihrem letzten Gespräch drei Jahre verstrichen waren.
    »Du willst nicht zufällig gerade essen?« fragte er.
    »Oh, ich habe vor einer Woche gegessen. Aber eine Stulle könnte ich vertragen.«
    In der Kantine trafen sie Hogan. Er grinste breit, als er Blake sah, und verschwand sofort und ohne etwas zu sagen. Sie wußten, daß er sich aufmachte, um die anderen davon zu informieren, daß Blake wieder in Bereitschaft war. Im Überlichtflug wollte eine Crew ständig von allen Vorgängen erfahren. Es konnten Krisen aufkommen. Und ihr Vertrauen in Rachel hatte zweifellos seine Grenzen.
    Warme Mahlzeiten waren im Überlichtflug ausgeschlossen. Die Küchengeräte funktionierten nicht. Blake mochte kalte Bohnen und kaltes Fleisch, so daß er keinen Anlaß zur Unzufriedenheit sah. Rachel aß kaltes Huhn und Brot. Da sie weder Kaffee, Tee noch Schokolade wärmen konnten, machten sie aus der Not eine Tugend und tranken Rotwein. Wein schmeckte nicht anders als sonst, besaß jedoch keine berauschende Wirkung. (Vermutlich war sie unverändert vorhanden, erstreckte sich allerdings über eine zu lange Subjektivperiode, um spürbar zu sein.)
    Es war völlig sinnlos, Scheinzeit in Realzeit umrechnen zu wollen, aber

Weitere Kostenlose Bücher