Die Cromwell Chroniken 02 - Grabes Hauch
griff sie nach seinem Herzen und hielt es fest umklammert. So fest, dass er glaubte, es müsse jeden Moment zerbersten. Er konnte das Blut durch seinen Körper rasen spüren. Seine Schläfe pulsierte und er bekam Kopfschmerzen.
Flint gehörte zu der Sorte von Menschen, die auf Stress mit körperlichen Beschwerden reagierten. Kopfweh war für ihn ein sicheres Zeichen dafür, dass er vor einem Problem davonlief. Doch Flint wollte diesmal nicht vor seinen Schwierigkeiten fliehen, er wollte sie lösen.
Für Katharina!
Also stellte er sich die Frage: Wo würde er sie finden?
Denk nach, Flint! Denk nach! Wo könnte sie sein? Wohin geht sie, wenn sie sich einsam fühlt?
Eine Woge aus Schuldgefühl drohte über ihn hereinzubrechen. Cat sollte sich eigentlich nicht mehr einsam und verlassen fühlen. Dafür war er doch da. Das hatte er ihr geschworen. Er wollte es sein, der immer für sie da war. Ein Freund.
Doch obwohl er wusste, dass Cat in Cendricks Schatten lebte und jederzeit von dieser Düsternis verschlungen werden konnte, hatte er nichts unternommen.
Ich habe versagt , traf ihn die düstere Erkenntnis. Ich habe versagt und sie im Stich gelassen. Allein. Nicht, weil ich es nicht hätte verhindern können, sondern weil ich einfach zu feige war. Was mache ich jetzt bloß?
Wieder griff die Angst nach ihm und drohte, jeden Elan zu ersticken. Er hasste es, wenn er so verzagt war.
Denk nach! Was würde ich tun, wenn mein Leben so sehr ins Wanken geraten wäre? Wohin würde ich gehen, wenn …
Er konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Zu grausam war der Gedanke, dass Cat etwas Schlimmes zugestoßen sein könnte.
Was mach ich bloß? Wie soll ich sie finden?
Flint kam zu keiner Lösung. Das bedeutete, dass er jemand anderen finden musste, der eine Lösung wusste. Er stürmte aus dem Zimmer und machte sich auf die Suche nach Cendrick.
„Cendrick, warte!“, rief der Geisterseher.
Der andere machte sich nicht einmal die Mühe, stehen zu bleiben oder gar eine Antwort zu geben. Er lief einfach weiter. Nach unten in das erste Stockwerk.
Flint fing an zu rennen und holte auf.
„Hey, was hast du vor?“, keuchte er.
Cendricks Miene war verschlossen und so unbeweglich wie behauener Marmor. Flint kannte diesen Blick. So hatte Cendrick ausgesehen, als seine Schwester in ihrem komatösen Schlaf gelegen hatte. Sein Antlitz spiegelte Entschlossenheit wider.
Um jeden Preis.
„Ich werde ihr Zimmer auf den Kopf stellen, bis ich irgendetwas gefunden habe! Und dann werde ich sie suchen und ihr sagen, was ich davon halte, dass sie einfach so verschwindet!“
Sie kamen vor ihrem Zimmer an. Cendrick drückte die Klinke. Die Tür war nicht abgeschlossen.
Die jungen Männer tauschten einen Blick aus. Cat schloss ihre Tür immer ab. Das wussten sie beide. Und gleichermaßen wuchs ihre Beunruhigung.
Warum hat sie nicht abgeschlossen? Wer oder was hat sie davon abgehalten?
Energisch zog Cendrick die Tür auf und trat ins Innere. Flint folgte ihm zögerlich. Sein Magen zog sich zusammen, als er ihre persönlichen Sachen im Raum erblickte. Er vermisste sie – so sehr, dass es wehtat.
„Sieht nicht so aus, als hätte hier ein Kampf stattgefunden“, folgerte Cendrick, als er sich umgesehen hatte. „Alles liegt da, wo es sein soll.“
Er marschierte zum Schreibtisch und klappte den Laptop auf. Die Power-Taste startete das Betriebssystem. Doch kurz bevor der Desktop erschien, kam eine Meldung: „Bitte Benutzernamen und Passwort eingeben!“
„Das sollte kein Problem sein. Ich habe damals für sie den Benutzer festgelegt. Sie hatte sich Morgenstern gewünscht.“
Er tippte den Namen ein und sprang mit dem Cursor in die Passwortzeile.
„Mal überlegen, wie das Passwort war.“
Cendrick trommelte unruhig mit den Fingern auf dem Tisch herum.
„Irgendetwas, was mit dem Morgenstern zu tun hat, und eine Zahl. Man muss Passwörter immer so schwer knackbar wie möglich machen. Mist, was war es?“
„Hast du es ausgesucht oder sie?“
„Ich habe es damals ausgesucht. Es hatte etwas mit Morgenstern zu tun.“
„Morgenstern, Sterne, Mond, Sonne, Himmel, Tag, Nacht“, zählte Flint eine assoziative Reihe von Begriffen auf.
„Ja, irgendwas mit Nacht. Nacht …“
Cendrick schloss die Augen und schlug sich mit der Hand an die Stirn. Dann begann er zu tippen. Der Laptop fing an zu laden.
„Das kann einen Moment dauern“, erklärte Cendrick.
„Was ist es gewesen?“, wollte Flint wissen.
„ Eine kleine Nachtmusik . Cat
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