Die Cromwell Chroniken 02 - Grabes Hauch
schriftlichen Prüfungen war es klar. Wir haben das und das im letzten Jahr durchgenommen, also lernt man dafür. Aber bei der praktischen Prüfung? Wir wissen ja gar nicht, was wir dort machen müssen“, gab Linda ihre Meinung zum Besten.
„Stimmt. Wir wissen nur, dass es vermutlich gefährlich wird“, bemerkte Flint in seiner gewohnt trockenen Art.
„Ja. Nicht gerade erbaulich“, seufzte Linda und verzog das Gesicht.
„Tja, Leute, da lobe ich mir, ich zu sein“, grinste der Unsterbliche. „Ich hab sicher keine Prüfung. Bei mir weiß nämlich niemand, ob es überhaupt noch andere Unsterbliche gibt und wenn ja, wo.“
Die anderen blickten ihn halb skeptisch, halb neidisch an.
„Du kriegst sicher auch etwas, an dem du dir die Zähne ausbeißen kannst, wetten?“
Tamara grinste frech.
„Ach, Hexchen, nur nicht so bissig! Jeder bekommt eben, was er verdient. Und da ich einmalig bin, bekomme ich bedeutend mehr als ihr anderen.“
„Pff! Verdient? Von wegen!“
„Du kannst ja gerne zu meinem Orden konvertieren.“
Die anderen lachten.
Mittlerweile hatten auch sie die immer kürzer werdende Schlange vor dem Aushang erreicht.
„Sagt einer Bescheid, wenn er was entdecken kann?“, verlangte Tamara.
„Ist noch zu weit weg“, gab der Unsterbliche, der alle anderen überragte, zurück.
„Hat eigentlich einer von euch Katharina gesehen?“, erkundigte sich Flint bei seinen Zirkelmitgliedern.
Allgemeines Kopfschütteln.
Flint sah Cendrick genauer an.
„Du auch nicht?“
„Nein. Ich vermute mal, dass sie lernt. Sie hat viel aufzuholen. Und so informativ war diese Veranstaltung auch nicht.“
„Ich sag nicht, dass sie etwas verpasst hat. Es wundert mich nur, dass sie erst gar nicht erschienen ist.“
„Wie gesagt, ich weiß es nicht. Das musst du sie schon selbst fragen.“
Flint beschloss, genau das zu tun.
Nachdem er sich seinen und den Termin Cats eingeprägt hatte, rannte er hoch ins erste Stockwerk und klopfte an ihre Zimmertür. Diese blieb ihm jedoch verschlossen.
Kapitel 39
Flint ging unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Cat war schon viel zu lange verschwunden. Es war bereits Montagabend und sie war immer noch nicht aufgetaucht. Er hatte gedacht, dass er sie am Sonntag im Laufe des Tages sehen würde, doch der Abend kam und sie blieb weg. Bei keiner Mahlzeit war sie im Speisesaal erschienen. Flint war mehrmals zu ihrem Zimmer gegangen, doch auf sein Klopfen hatte niemand reagiert. Dann begann er, unter den Studenten herumzufragen. Einige hatten sie gesehen, doch niemand mit ihr gesprochen. In dem Geisterseher stieg das Gefühl auf, als würde sie ihm aus dem Weg gehen, und dieser Gedanke beunruhigte ihn noch mehr.
Wo bist du, Katharina?
Flint machte sich Sorgen und eine dunkle Vorahnung beschlich ihn wie ein Dieb in der Nacht. Sein Entschluss stand fest: Er musste sie finden – und das so schnell wie möglich!
Er dachte an ihre erste Begegnung mit der alten Inderin in Foirenstons Kurs. Auch wenn er persönlich die Dame nett fand, so konnte er nachempfinden, was ihre Anwesenheit und der näher rückende Gesprächstermin für Cat bedeuten mussten.
Sie hat Angst, alles zu verlieren, was ihr je wichtig war.
Und seit vorgestern musste sie sich nicht mehr um ihre schriftlichen Prüfungen sorgen, sondern hatte nur noch eines vor Augen: ihre praktische Prüfung und die mögliche Enttarnung ihrer Fähigkeiten durch Vanita.
Genau aus diesem Grund hatte er den dringenden Wunsch, sie sobald wie möglich aufzuspüren. Außerdem passte es nicht zu ihr, einfach so zu verschwinden. Das hatte sie noch nie getan. Sie wusste doch sicher, dass man sich um sie sorgte. Also musste sie etwas davon abhalten, sich bei ihnen zu melden. Die unbestimmte Vorstellung, dass Cat sich etwas antun könnte, nagte an ihm.
Wie komme ich plötzlich auf so eine verrückte Idee?
Flint wusste es selbst nicht. Der Gedanke war auf einmal in seinem Kopf aufgetaucht. Doch je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich.
Katharina wird sich etwas antun, wenn ich sie nicht finde.
Sie war so zart und zerbrechlich. Er erinnerte sich daran, wie sie in den letzten Wochen immer schmaler und blasser geworden war. Sie sah sogar noch schlimmer aus als in der Zeit, da ihre Visionen sie quälten. Es war so naheliegend, dass sie unter dieser Bürde zusammenbrechen würde.
Diese Erkenntnis ließ die Last auf seinen Schultern noch schwerer werden. Und jetzt packte ihn die Angst. Wie mit langen, klebrigen Fingern
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