Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
Gefühl, innerlich zu zerreißen. Seine Kehle war mit einem Mal ganz eng und er musste schlucken.
Dann aber schob er diese Eindrücke resolut beiseite. Es reichte, wenn Flint vom Wahnsinn attackiert wurde. Er konnte sich nicht auch noch gehen lassen. Mit ihm war alles okay!
Er richtete sich wieder auf.
„Beeindruckend, nicht wahr?“, sagte Fowler.
„Ganz nett“, murmelte Valerian.
„Wie alt ist sie denn?“
Der Rektor rieb sich das Kinn.
„Ich hatte noch keine Gelegenheit, eine Expertise in Auftrag zu geben. Doch wir können davon ausgehen, dass sie mehrere Jahrhunderte alt ist. Die Art der Herstellung lässt darauf schließen.“
Auf Valerians fragenden Blick hin ergänzte Fowler: „Ich habe einige Semester Kunstgeschichte studiert.“
Jeder braucht ein Hobby.
„Und das soll jetzt der Beweis dafür sein, dass es Unsterbliche gibt?“
„Vielleicht kein Beweis, aber einen starkes Indiz dafür, dass Menschen an Unsterbliche geglaubt haben und womöglich schon einem begegnet sind.“
Normalerweise hätte Valerian solch eine absurde Idee von sich gewiesen, aber diese Lampe erinnerte ihn an etwas, dem er sich nicht entziehen konnte.
„Ja, vielleicht.“
Sein Rektor blies die Flamme aus und die Bilder erloschen.
„Sie gehört dir, wenn du willst. Es wäre schade, so ein gut erhaltenes Stück hier oben vermodern zu lassen. Bist du nun bereit für deinen Schwur?“
Valerian löste seinen Blick von der Laterne.
„Ich bin bereit.“
Sir Fowler ergriff Valerians Rechte mit beiden Händen und hielt seinen Blick gefangen. „Valerian Wagner, hiermit frage ich dich: Bist du bereit, ein Teil der magischen Bevölkerung zu werden? Verpflichtest du dich, die Welt der Begabten geheim zu halten und mit all deiner Kraft zu schützen? Und schwörst du, niemals jemanden im Stich zu lassen, der dir anvertraut wurde? Dann sprich die Worte: So sei es!“
„So sei es!“
Es dämmerte bereits, als sich Graciano und seine Kommilitonen in der St. Franziskus Kathedrale einfanden. Er hatte immer geglaubt, wenn es endlich so weit sein würde, wäre er aufgeregt. Doch nichts lag ihm ferner. Alles war absolut stimmig und im Einklang. In den Gesichtern der anderen Studierenden konnte er erkennen, dass es ihnen genauso ging. Sie alle befanden sich in inniger Gemeinschaft untereinander und in Verbundenheit mit ihrem Schöpfer. Als hätte man ihre Herzen auf Gott ausgerichtet.
Pater Ignatius führte die Studenten durch das große Portal und dann nach rechts durch eine Tür. Sie wussten alle, was nun folgte: Im Chor des Gebäudes wurden die Vorbereitungen getroffen, während sie hier warteten und sich umzogen. Die Ältesten des Ordens hatten die Nacht hindurch für sie in stiller Kontemplation verharrt. Im Nachhinein erkannte Graciano, dass sogar während der Prüfungszeit für die Ordensanwärter gebetet worden war.
Allen Studenten wurden einfache Kutten ausgehändigt, die Ministrantenroben ähnelten. Ungefärbte, grobe Naturfasern. Schlicht, simpel, bei allen gleich. Nichts sollte Konkurrenzdenken oder Eitelkeit fördern. Äußerlichkeiten waren nicht wichtig, konnten nicht in die Ewigkeit mitgenommen werden. Dort galt nur die Seele und alles, was sie erlebt, all die Liebe, die sie geschenkt hatte.
Alle Wächter des Lichts stammten von Gott ab. Alle kehrten zu ihm zurück. Ohne eigenen Verdienst. Nicht, weil sie mehr getan oder mehr geleistet hätten als andere. Auch nicht, weil sie etwa genug gegeben, geopfert oder gerettet hätten. Es war ein Geschenk. Graciano wusste jetzt, dass er nichts dazu beitragen konnte. Diese Erkenntnis war in gewisser Weise ein Schock für ihn gewesen. Er war ausgeliefert. Man hatte ihm seine Werkzeuge, seinen Fleiß, seine Treue genommen. Seine ganzen Verdienste galten nichts mehr. Mit leeren, offenen Händen stand er nun da. Bereit, zu empfangen. Das war genug. Gott hatte an allen Interesse und gab die Zusage, dass niemand mit leeren Händen stehen blieb. Sehnsucht nach Nähe und Beziehung zum Schöpfer blieben niemals unbeantwortet. Man musste nur sein Herz öffnen und Jesus auf die Art in sein Leben kommen lassen, die er selbst wählte.
Seit der Prüfung war kein Tag vergangen, an dem Graciano nicht an Kai und Frau Reutling gedacht hätte. In so kurzer Zeit hatten sie ihn für sein ganzes Leben bereichert, hatten ihn dazu gebracht, seine bisherige Weltanschauung zu hinterfragen und in seinem Glauben zu wachsen. Das Leben schenkte jedem Menschen täglich neue Lektionen. Das Schwierige
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