Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
ihm. Der Student wusste nicht, was er denken sollte. Nichts ergab einen Sinn.
„Sorge dich nicht, Graciano. Alles hat seinen Sinn“, hörte er die ruhige Stimme des Geistlichen.
Der junge Wächter lächelte matt und nickte.
Als sie das Krankenhaus verlassen hatten, warf Graciano noch einen letzten Blick zurück. Ein Leuchten in einem der Fenster im dritten Stock lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich.
Er erstarrte: Das war Kai! Er stand dort und winkte ihm fröhlich zu – und seine Gestalt erstrahlte dabei in einem gleißend goldenen Licht.
Kapitel 62
Als Flint zurück auf sein Zimmer kam, war Valerian bereits mit Packen beschäftigt.
„Hey, wen sehen meine entzündeten Augen? Der einzigartige UMBRATICUS DICIO betritt den Raum! Applaus, Applaus!“, scherzte der Unsterbliche.
Der Geisterseher grinste schief und winkte ab. „Noch nicht. Erst muss ich noch einen Besuch bei Gustave überleben. Und wie sieht es bei dir aus? Hast du deine Quasi-Prüfung bei Fowler bestanden?“
„Ja, schätze schon. Ich meine … er kann mich ja auch schlecht durchfallen lassen. Ich wäre wegen ihm beinahe gestorben. Das wäre ziemlich unfair, oder nicht?“
„Ja, schon. Und jetzt fährst du wieder zu deiner Tante?“
Valerian gesellte sich zu ihm und sammelte sein Zahnputzzeug und den Rasierer ein.
„Als Erstes will Fowler noch so ein Ritualgedöns mit mir machen und dann fahre ich zu Edith und ihrem Lebensabschnittspartner mit dem ausgeprägten Durst. Kann es kaum erwarten. Ich werde auf der Couch liegen, bis spät in die Nacht sinnlose Filme schauen und mich nicht rühren.“
„Hast es dir verdient … nach diesen Eskapaden hier.“
„Ja, aber echt! Wohin gehst du eigentlich nach deinem Aufnahmeritusdings?“, fragte der Unsterbliche.
Der junge Geisterseher hielt in der Bewegung inne und erstarrte. Sein Magen zog sich auf einmal zusammen. Er meinte, ihm würde für einen Moment schwindelig, doch das Gefühl legte sich sofort wieder.
„Wie immer … zu meinem Vater“, antwortete er und versuchte das unangenehme Ziehen in seiner Magengegend zu ignorieren.
Schlimmer noch, als seinen Vater sehen zu müssen, war es, Katharina nicht sehen zu können. Aber diesmal würde er sich nicht in seinem Zimmer verbarrikadieren. Wenn ihn die Prüfung eines gelehrt hatte, dann dass es zu Hause jemanden gab, der ihn brauchte. Jemanden, für den seine Mutter gestorben war.
Ramona.
Es war schon sehr lange her, dass er sich mit seiner Schwester beschäftigt hatte, aber es war noch nicht zu spät. Vielleicht würde es ihm gelingen, zu ihr durchzudringen.
Kapitel 63
Seine Schritte machten kaum ein Geräusch und er hatte das Gefühl, bei jedem Tritt einige Millimeter einzusinken. Valerian fand das unnatürlich und verlagerte automatisch das Gewicht.
Wie viele Perserteppiche braucht der Mensch eigentlich, um glücklich zu sein?
Wenn es nach ihm ging, war einer schon mehr als genug. Doch seit er diesen privaten Flügel des Cromwell-Anwesens betreten hatte, waren die Fußböden scheinbar damit gepflastert.
War er hier überhaupt richtig? Das Personal hatte ihm aufgeschlossen und ihn dann alleine stehen lassen. Valerian hatte nicht einmal gewusst, dass es eine Verbindungstür zu diesem Trakt gab.
Ob hier auch Maxi wohnt?
„Valerian, schön, dass du da bist!“
Der Student zuckte zusammen. Er hatte Sir Fowler nicht kommen hören. Daran sind nur diese verfluchten Teppiche schuld!
„Ich dachte, du bist neugierig darauf, den Rest des Anwesens zu sehen. Immerhin bist du der einzige Student, der jemals die Krypta betreten durfte.“
Diese Offenbarung entlockte dem Unsterblichen ein breites Grinsen.
„Nice!“, sagte er und rieb sich die Hände. „Also, wann fangen wir an? Oder kommen noch mehr?“
Sir Fowler, der gerade dabei gewesen war, seine Manschettenknöpfe zu richten, sah überrascht auf.
„Du meinst … Einzelgänger?“
Dieser Satz klang wie ein Widerspruch in sich. Trotzdem bejahte Valerian.
„Nein, du gehörst zwar keinem der anderen Orden an, jedoch bist du kein Mitglied der Einzelgänger. Es sei denn, es wäre dein Wunsch.“
„Müssen nicht alle ohne Orden zu den Einzelgängern kommen?“
Der Rektor schüttelte den Kopf.
„Von müssen kann keine Rede sein. Es dient dem eigenen Vorteil, wenn man einer Organisation angeschlossen ist, die Kontakte und Gemeinschaft bietet. Vor allem jedoch Schutz und Wissen. Die meisten unserer Mitglieder sind uns beigetreten …“
„… weil sie die Prüfung vergeigt
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