Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
Gesicht der anderen – und jetzt sah sie wirklich wunderschön aus.
„Machen wir ein Foto und schicken es ihm! Das wäre wirklich schade, wenn man diesen Augenblick nicht festhalten würde.“
Bevor sich Katharina weigern konnte, hatte Linda nach dem Smartphone ihrer Freundin gegriffen und ein Foto geschossen. Zum Schluss fotografierte Cat sie kurzerhand noch einmal zusammen im Spiegel.
„Jetzt sind wir für immer verewigt.“
Die blinde Seherin umarmte Katharina und war froh, dass diese nicht länger traurig war. Es musste sehr schwer sein, die Ordensaufnahme ohne seine Familie zu feiern. Sie konnte sich das gar nicht vorstellen. Ihre Mutter und Großmutter hatten diesen Tag schon seit ihrer Geburt herbeigesehnt. Es war keine Pflicht, dass sie bei den Ritualen dabei waren, immerhin lebte die Familie in Heidelberg, aber für die beiden Frauen war es ein Höhepunkt in Lindas Leben und niemand in ihrer Familie ließ sich das nehmen. Es war für alle selbstverständlich.
Die Familie van Genten war, nach allem, was Linda über sie gehört hatte, sehr traditionsverbunden. Seit vielen Generationen hatten bei ihnen ausschließlich Magier das Licht der Welt erblickt. Und nun gab es eine Außenseiterin. Linda wollte sich gar nicht vorstellen, wie schrecklich sich Katharina fühlen musste. Es tat ihr leid, dass sie so wenig tun konnte, damit es der Freundin besser ging. Hier und jetzt fasste sie den Entschluss, dass sie alles daran setzen würde, um ihr das Leben im Orden so angenehm wie möglich zu gestalten.
Durch Cats Augen beobachtete sie, wie sie Flint eine kurze Nachricht schrieb und das Bild als Anhang versendete.
„Fertig! Lass uns gehen.“
Katharina führte Linda die Treppe hinunter in das Foyer, wo die anderen Ordensanwärter bereits aufgeregt schnatterten. Für die blinde Seherin war dies auf doppelte Weise aufregend, da sie einige ihrer Kommilitonen noch nie zuvor gesehen hatte. Marina Effenberk zum Beispiel – mit ihren hellroten Haaren und den Sommersprossen. Domenico Aiello, der jederzeit einen witzigen Spruch auf den Lippen hatte. Und Marc Keller, der so schüchtern war, dass selbst Linda lange gebraucht hatte, bis sie einige Worte aus ihm herausgebracht hatte.
„Wisst ihr etwas über den genauen Ablauf?“, begrüßte sie Domenico, kaum dass sie die letzte Stufe hinter sich gebracht hatten.
„Leider nein. Ich weiß auch nicht mehr, als dass wir gleich von Rosina Kempten abgeholt werden.“
„Und die ist bereits hier“, hörten sie eine bekannte Stimme hinter sich.
Das Ordensoberhaupt trug ebenfalls eine Toga, die rechts und links an den Schultern von je einer Fibel geschlossen wurde. Jedoch hatte sie durchscheinende Ärmel und die Ränder ihres Stoffes wurden von einer goldenen Borte geziert. Außerdem waren ihre Haare so kunstvoll auf dem Hinterkopf aufgetürmt worden, dass man ganz leicht das Werk eines Profis erkennen konnte. Sie ließ ihren Blick prüfend über die anwesenden Studenten streifen und lächelte schließlich zufrieden.
„Ihr seht alle sehr gut aus. Macht euch keine Gedanken, den schlimmsten Teil habt ihr bereits hinter euch. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber versucht das, was jetzt kommt, zu genießen. Es gibt niemanden im Orden, der schlechte Erinnerungen an seine Aufnahme hätte. Versprochen.“
Das Ritual wurde im Park des Anwesens abgehalten. Dort waren sie ungestört und die Bedingungen geradezu ideal. Die blinde Seherin keuchte überrascht auf, als sie die prachtvolle Außenanlage durch Cats Augen bestaunen konnte. Das satte Grün der Rasenfläche mischte sich mit den leuchtenden Farben der unterschiedlichsten Blumen. Alles war in gleißend helles Sonnenlicht getaucht und einfach wunderschön.
Plötzlich spürte sie einen sanften Stoß in ihrer Seite.
„Das Atmen nicht vergessen“, murmelte ihr das Medium ins Ohr und beide brachen in Gelächter aus.
Die Anwärter des Sapientia Oracularum standen im Kreis, hatten die Arme vor dem Körper überkreuzt und hielten einander so bei den Händen. Die anwesenden Ordensmitglieder standen in mehreren Ringen um die jungen Leute herum. Der Ritualplatz war nach den alten Plänen des ursprünglichen Orakels von Delphi aufgebaut worden. In der Mitte brannte ein Feuer und aus Räucherschalen drang ein angenehmer Duft. Die Familienangehörigen waren so postiert worden, dass sie in der Nähe ihrer Zöglinge standen. Die Prüferinnen und Prüfer standen jeweils zur Rechten der Studenten.
Rosina Kempten trat hervor und
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