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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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nicht. Sie senden uns Signale. Das hält uns zusammen. Blut. DNA, Hesketh. So etwas ist sehr stark.«
    »Freddy und ich haben keine gemeinsame DNA.«
    »Dann haben Sie Glück. DNA ist grausam. Sie stellt Forderungen.« Er beugte sich nieder und drückte seine Zigarette in einer vertrockneten Granatapfelschale aus. »Hesketh, ich bin froh, dass man Sie geschickt hat.«
    Seine Augen glitzerten wieder. Ich schaute hin, und unsere Blicke begegneten sich eine Sekunde. Länger konnte ich es nicht aushalten. Vielleicht fand eine Art Austausch statt.
    Ich sagte: »Ja.« Dann auf Chinesisch: »Ich auch.« Und das entsprach der Wahrheit.
    »Wir verabschieden uns jetzt. Ich habe Ihnen alles gesagt. Gehen Sie, machen Sie Ihren Job. Ich bleibe hier. Fahren Sie mit dem Taxi zum Hotel.« Ich wollte widersprechen, doch er bremste mich. Er habe sein Handy dabei, sagte er. Er werde einen anderen Wagen bestellen, wenn er bereit zum Aufbruch sei. »Ich möchte noch ein bisschen hierbleiben. Herausfinden, was ich jetzt tun muss. Aber seien Sie vorsichtig, Hesketh. Die Geister werden sehr aktiv.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie sind wütend und ausgehungert. Sie leben unter schlechten Bedingungen. Sie schätzen die Wahrheit. Also bin ich ehrlich mit Ihnen. Das ist nichts, was Phipps & Wexmanoder eine andere Organisation in den Griff bekommen könnte. Die Geister werden tun, wofür sie hergekommen sind. Sie werden nicht aufgeben. Sie kämpfen ums Überleben.« Er seufzte und streckte die Hand aus. Ich schüttelte sie, dann verneigten wir uns leicht voreinander. »Es war schön, Sie kennenzulernen, Hesketh. Ich wünsche Ihnen eine sichere Reise. Bitte gehen Sie jetzt.«
    Er rief nach dem Taxifahrer, der mit einem Ruck aufwachte und den Motor anließ. Wir gaben uns noch einmal die Hand, ich stieg ins Auto, und Sunny winkte mir nach. Ich schaute zu ihm zurück, doch er hatte sich schon abgewandt, um die Stadt zu betrachten. Die Hände in den Taschen, die Schultern hochgezogen. Auf dem Rückweg zum Hotel teilte ich Phipps & Wexman mittels BlackBerry mit, dass ich den Informanten gefunden hatte. Ashoks sofortige Antwort: Du bist der Beste.
    Der beste Mann , wenn es nach Sunny Chen ging.
    Der Mann, der gewonnen hatte.
    Er würde es nicht erfahren.
    Als das Taxi losfuhr, drehte ich mich um und sah Sunny Chens kleine Gestalt wie einen gebeugten Wächter am Schrein seiner Vorväter stehen, nahe der verwehten Asche seines kleinen Origami-Ichs.

2
    Der Hurrikan Veronica schlug in der Nacht zu und verwüstete einige Städte an der irischen Westküste, bevor er die schottische Küste unter Beschuss nahm. Ich erwachte von seinem ersterbenden Geheul. Als es dämmerte, bemerkte ich, dass einer der Weißdornbüsche umgestürzt war und seine Äste über dem Moor verstreut waren. Von meinem Dach waren einige Ziegel herabgefallen, und am Strand lag ein totes Schaf. Ansonsten gab es kaum Spuren des Unwetters bis auf den Hauch von Salz, den der Wind mit sich führte: feine Kristalle, die auf meinem Schieferdach und dem Granitfelsen schimmerten.
    Mein Wohnzimmer riecht nach feuchter Wolle und Holzrauch. Ich habe Scheite aufs Feuer gelegt, und von Zeit zu Zeit detonieren Lufteinschlüsse in der Rinde wie Gewehrschüsse. Hier oben ist schon Herbst: die Zeit der Spinnen. Wegen des feuchten Frühjahrs sind sie zahlreich und gewaltig, mit langen Beinen und aufgeblähter Brust. Die Struktur der Netze ist immer gleich, doch jede Spinne hat ihren eigenen Stil, wie eine Handschrift. Manchmal sitze ich da und schaue ihnen zu, wie sie konzentriert und fanatisch weben. Ich muss mich mühsam davon losreißen.
    Die Mittagsnachrichten wurden dominiert von den Schäden, die der Hurrikan angerichtet hatte, und vom Streit unter Wissenschaftlern, ob die soeben wiederholten CERN-Ergebnisse Einsteins Relativitätstheorie »widerlegten«. Am Ende gab es noch eine kleine Aktualisierung zur »Pyjama-Mörderin«.Der Vater des Mädchens befindet sich noch im Krankenhaus, während der Rest der Familie psychologisch betreut wird.
    Ich habe versucht, die Ergebnisse meiner Taiwan-Ermittlungen zusammenzufassen, doch meine Notizen sind kaum mehr als eine Auflistung von Chens erregten Bemerkungen über die Geisterwelt. So etwas kann ich in meinem Bericht nicht zitieren. Die Klienten wollen keinen Aberglauben und keine Ungewissheit: Sie wollen die Sache abschließen und einen Dreipunkteplan geliefert bekommen. Ich auch. Ich lege Holz nach und schaue den Funken zu. Es macht Spaß, diese

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