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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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ein Teil dieser großen Vision, Mann. Ich liebe diese Stadt, Mann. Wohne schon seit zwanzig Jahren hier. Ich meine, wie kann man nicht verrückt sein nach diesem Ort?«
    Er erklärt, dies sei nur eines von siebenundfünfzig Bauprojekten, die von Eastern Horizons betrieben werden. Farooq war persönlich dafür verantwortlich. Während de Vries sich am Geländer festhält und über Dubai predigt – »Diese Stadt.So sieht die Zukunft aus, Mann« –, bekomme ich allmählich Durst. Die Sonne ist unerträglich heiß. »Ich weiß nicht, was sich dieser verdammte Farooq in den Kopf gesetzt hatte. Ich weiß es einfach nicht. Hier gibt es so viel zu erleben, Mann. Die Welt war seine Auster. Und seine Frau, was meinen Sie, wie die sich jetzt fühlt, Mann? Halla ist eine wunderbare Frau. Sehr traditionell. Können Sie sich vorstellen, wie es war, ihr die Nachricht zu überbringen? Hat mich innerlich zerrissen, Mann.«
    Ich würde gerne sagen: Halla Farooq hat gedacht, ihr Mann sei von einem Dschinn in Gestalt eines kleinen Bettlers besessen. Sie hat geglaubt, dass der Dschinn ihrem Mann übelwolle, so wie Sunny Chen geglaubt hat, dass die Ahnen ihn mit einem Fluch in Gestalt eines kleinen Schmutzabdrucks belegt hätten, und Jonas Svensson hat geglaubt, dass kleine Wesen – »Trollkinder« – ihn als Marionette benutzt hätten. Und ich habe rätselhafte Flecken am Arm.
    Ich erkenne ein Muster, Mr Jan de Vries.
    Das Problem ist nur, es ist so bizarr, dass es für einen logischen, rational und wissenschaftlich denkenden Verstand keinen Sinn ergibt. Schon gar nicht für meinen.
    Während Jan de Vries weiterhin seinen fleischigen Mund bewegt und in heftigem Ton spricht, fallen mir Ashoks wütende Anweisungen ein: Er will Ansätze, die nichts mit »beschissenen kleinen Männchen« zu tun haben, die so bedrohlich sind, dass Männer zu verzweifelten Mitteln greifen, nachdem sie gegen ihren Willen gehandelt haben. Tod im Stofflöser, Tod im Straßenverkehr nach einem gescheiterten Selbstmordversuch mit Aspirin, Tod durch Rattengift – ich sehe keine Verbindung. Was haben Holz, Finanzen und Bauindustrie miteinander zu tun? Sicher, das Geld verbindet sie, doch Geld ist so körperlos und weit verbreitet wie Sauerstoff. Taiwan,Schweden und Dubai: Auch sie haben nichts gemeinsam bis auf die Tatsache, dass ich sie kürzlich auf die Liste der Orte gesetzt habe, die ich nicht so bald wiedersehen möchte.
    Nun, da wir oben sind, will mir Jan de Vries unbedingt die anderen Baustellen von Eastern Horizons zeigen. Man könne vier von hier aus sehen, sagt er. »Ich möchte, dass Sie sie im Kontext des gesamten Dubai-Projektes betrachten.«
    Das Gelände um die Baustelle erinnert an ein staubiges, klumpiges Katzenklo. Ich habe gelesen, dass viele der ausländischen Arbeiter in riesigen Metallcontainern leben, die wie Käfige aufeinandergestapelt sind. Ich persönlich mag enge Räume, aber das gilt nicht für jeden. Die Luft ist sehr viel heißer als alles, was ich jemals außerhalb einer Sauna erlebt habe. Trotz Sonnenbrille tun mir die Augen weh. Ich versuche, de Vries auszublenden, aber er ist sehr präsent, und ich kann mich nicht auf meinen kleinen ozuru konzentrieren. Seine Stimme scheint sich immer höher und schriller zu schrauben, bis er fast schreit. Entsalzung und die Zukunft.
    Ein verdammtes Wunder, Mann.
    Die Welt hat seiner Firma so viel zu verdanken. Er ist stolz, hier zu sein, als ein Teil von Dubais Zukunft. Denken Sie an unsere Enkel und deren Kinder, die werden uns so sehen, wie wir die Pharaonen sehen, waren Sie schon mal in Ägypten, Mann, haben Sie dieses ganze unglaubliche Zeug gesehen? Unglaublich.
    Etwas stimmt nicht. Seine Stimme wird höher und höher. Die Tonlage klingt unnatürlich. Mir ist es zu heiß. Ich beginne hin- und herzuschaukeln. Ich kann nicht klar denken, wenn Leute schreien oder mit unnatürlich hoher Stimme kreischen. Das überfordert mich. Ich bin jetzt überfordert. Ich schaukle stärker und stärker. Etwas ist nicht in Ordnung. Das Geräusch, das de Vries macht, klingt nicht normal.Und dann tut er etwas, das ebenso grotesk wie unbegreiflich ist.
    Er leckt sich den nackten Unterarm.
    Er macht noch immer das kreischende Geräusch, aber es wird gedämpft, weil seine Lippen auf das eigene Fleisch treffen. Die Geste ist nicht menschlich: Sie erinnert mich an einen Hund, der knurrend an einem Knochen knabbert, oder an die Parodie eines Kusses. Aber es ist kein Knochen oder Mund, es ist das haarige Fleisch

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