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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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und schiebt ihn höher, bis man die blauen Flecken an meinem Arm sieht. Ich bereue, dass ich keine langen Ärmel trage. »Das war nicht Freddy.«
    »Wie alt ist dieser Freddy?«
    »Sieben.«
    »Und wer hat Sie am Arm gepackt?«
    »Ein Mann in Schweden. Ein sehr gestörter Mann.«
    Mazoor legt die Hände auf den Schreibtisch und schaut sie an, dann blickt er zu mir.
    »Sie lügen, Mr Lock.«
    »Ich lüge nicht.«
    »Wie erklären Sie dann diese Flecken?«
    »Ich bin nicht gewalttätig. Ich habe de Vries nie angefasst. Falls Sie andeuten wollen, wir hätten miteinander gekämpft, irren Sie sich. Fragen Sie die anderen.«
    Er lacht. »Ich bin Kriminalbeamter, Mr Lock, kein Idiot. Diese blauen Flecken sind mindestens zwei Tage alt. Also interessiert es mich nicht, woher sie stammen. Ihre gewalttätige Natur hingegen schon. Ich frage Sie noch einmal: Weshalb haben Sie de Vries hinuntergestoßen?«
    »Ich habe de Vries nicht hinuntergestoßen oder in irgendeiner Weise bedroht. Ich war nie mit ihm allein. Auf dem Dach waren sechsundzwanzig Arbeiter und der Vorarbeiter. Ich bin mir sicher, sie alle können meine Aussage bestätigen. Er ist gesprungen. Der Sprung war überraschend elegant.«
    »Elegant?«
    »Ja. Elegant ist das Wort, das ich in meiner Aussage gern verwenden würde.«
    »Wie poetisch. Sie lieben Ihre Sprache.«
    »In der Tat. Meine eigene und andere. Vor allem, wenn man ihnen einen Rhythmus entlockt.«
    Er lächelt und lehnt sich zurück. Ich sehe die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen. In afrikanischen Kulturen gilt eine solche Zahnlücke als Glücksbringer und Zeichen sexueller Potenz. »Dann zitieren Sie mal englische Poesie.«
    Ich räuspere mich.
    »›Wer hätt’ geglaubt, mein trocknes Herz
    Könnt’ wieder grün erblühn? Es schwand
    Tief in die Erde; so wie Blumen gehn
    Zur Mutterwurzel hin, die sie gebar;
    Wo sie gemeinsam
    Wie hinter Mauern,
    Tot für die Welt, das harte Wetter überdauern.‹
    Es stammt aus ›Die Blume‹ von George Herbert. Ich kann Ihnen auch etwas von Shelley vortragen.«
    »Nur zu.«
    »›Mein Name ist Osymandias, aller Kön’ge König: –
    Seht meine Werke, Mächt’ge, und erbebt!‹«
    »Schön, Mr Lock. Sie können interessante Dinge aus dem Ärmel zaubern.« Er deutet mit dem Kopf in Richtung meines Arms. Er meint die Flecken. Er hat einen Witz gemacht. Ich zwinge mich zu lächeln, bringe aber kein Lachen zustande. Er rutscht auf seinem Stuhl herum, seufzt und schiebt mir einige Blätter hin. »So, genug der Unterhaltung. Zeichnen Sie, was passiert ist.«
    Das lässt sich machen. Ich zeige, wo ich im Verhältnis zu de Vries gestanden habe. Es ist klar, dass er die Geschichte noch einmal hören will, um mich bei Ungereimtheiten zu ertappen. Also erzähle ich Mazoor, während ich zeichne, zum fünften Mal von de Vries’ eigenartigem Verhalten auf der Baustelle: den Schreien und dem Armlecken und der Tatsache, dass er offenkundig Alkohol getrunken hatte.
    »Daher gelange ich zu der Schlussfolgerung, dass Jan de Vries angetrunken war. Er war auch erschüttert wegen desSelbstmords von Ahmed Farooq und weil er der Witwe die Nachricht überbringen musste. Ich glaube, er hat einen Nervenzusammenbruch erlitten, den niemand bemerkt oder vorausgesehen hat.«
    Er macht eine Bemerkung über meine hervorragenden Zeichnungen. Damit hat er recht. Meine 2-D-Darstellungen sind äußerst akkurat. Unter anderen Umständen würde ich ihm vielleicht von meiner Bewunderung für Da Vincis anatomische Zeichnungen erzählen, die ich mit meinem nicht gewalttätigen Stiefsohn Freddy teile. Doch wir sind nun einmal in der aktuellen Situation, und sein Auftrag besteht darin, eine Lücke in meiner Geschichte zu finden. Vermutlich hat er es normalerweise mit Drogenkartellen, Alkoholschmugglern und politischen Attentaten zu tun, nicht mit angetrunkenen Südafrikanern, die im wahrsten Sinne des Wortes abgestürzt sind.
    »Aber es muss doch einen Auslöser gegeben haben«, sagt er. »Etwas muss passiert sein.«
    Er ist nicht dumm.
    Ich zucke mit den Schultern. »Die Symptome geistiger Unausgeglichenheit sind nie vorhersagbar. Mr de Vries hat begonnen, sich sonderbar zu benehmen. Er hat sich in ein Crescendo gesteigert. Der elegante Sprung war Teil dieses Crescendos.« Ich denke an toko und loshi .
    »Aber Sie geben zu, dass wir es mit einer seltsamen Situation zu tun haben, Mr Lock?«
    »Ich gebe sogar zu, dass sie sehr seltsam ist. Aber wie ich schon sagte, gestörte Menschen verhalten sich nun

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