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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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ist.«
    Sie hält inne. »Kaitlin ist eine gute Mutter. Aber sie hat Freddy allein aufgezogen. Und fühlt sich im Grunde auch wohl damit.«
    »Das reicht nicht. Das ist kein Grund. Es ist eine Entschuldigung.«
    »Bitte, Hesketh. Du brüllst. Setz dich.«
    Sie lässt sich in einem Sessel nieder und deutet auf den anderen. Zögernd lasse ich mich hineinfallen.
    »Es geht nicht darum, ob Kaitlin sich wohlfühlt. Es geht um Freddy und dass er das Recht auf einen Vater hat. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit.«
    Sie betrachtet ihre Hände. Dann spricht sie mit leiser Stimme, und ich muss mich anstrengen, um sie zu verstehen. »Denk nicht, ich würde mich bei alldem gut fühlen, Hesketh.«
    Ich schlage auf den Glastisch, der zwischen uns steht, und sie zuckt zusammen. »Dann sei nicht so feige! Setz dich für die Rechte des Jungen ein! Mach mit Kaitlin, was immer du willst. Aber sorg dafür, dass ich Freddys Vater sein darf.« Sie wendet sich ab, und ich schlage noch einmal auf den Tisch. »Ist das ein Ja?« Sie nickt wieder. »Dann sag es.«
    »Ja.« Ihre Augen werden rot, aber das ist mir egal.
    »Ich nehme dich beim Wort.«
    »Das kannst du.« Sie steht rasch auf, geht ins Bad und kommt mit einem Taschentuch vor der Nase zurück. Sie wirft mir ein weißes Gästehandtuch zu. »Trockne deine Haare.« Sie schnieft und putzt sich noch einmal die Nase. »Lass uns was trinken.« Sie geht zur Minibar und reißt die Tür auf.
    »Danke.« Als ich anfange, mir die Haare zu rubbeln, summt es in meinem Kopf. Es könnte Freude sein.
    Sie kommt und setzt sich mir gegenüber, schenkt uns Drinks ein. Whisky. Ein großzügiges Glas für mich. »Ich möchte ehrlich mit dir sein, Hesketh. Es ist nicht einfach gewesen mit Freddy.« Sie nimmt einen tiefen Schluck und wird rot. Sie scheint das hier als Betrug zu empfinden. Darüber bin ich froh. »Er ist offenkundig verwirrt.« Ich erinnere mich an Kaitlins SMS: Du hast Freddy sehr verwirrt. »Ich mache mir nichts vor. Das kann ich mir in meinem Job nicht leisten.Ich will das Richtige tun. Die Sache ist die … Was ich mit dir besprechen möchte, ist … Vorgestern hat er …«
    Sie hält inne und trinkt noch einen großen Schluck. Irgendetwas macht ihr Sorgen. Und sie wirkt angetrunken. Hat sie sich noch einen genehmigt, nachdem ich die Bar verlassen hatte? Ein Bild taucht auf: Freddy, der mit seiner Schleuder auf Kaitlins Herz zielt. Und das typische Geräusch: wuuusch .
    »Ist er gewalttätig geworden?« Meine eigene Frage erschreckt mich.
    Ihr Gesicht wird rot. Ihr Hals auch. Die Halskette hebt sich weiß schimmernd davon ab. »Woher weißt du das?«
    Ich zucke mit den Schultern. »Hab nur geraten. Ich habe kaum mit ihm gesprochen, seit ich ausgezogen bin. Was hat er getan?«
    »Eine Lehrerin angegriffen. Er hat sie auf dem Spielplatz mit einem Kieselstein beworfen. Sie war richtig verletzt. Die Wunde wurde mit fünf Stichen genäht. Es war … ziemlich schockierend.«
    Während sie spricht, starre ich wieder auf die Kette. Diese Formen: Knochen. Wirbel. Knöchel. Etwas in der Art.
    Ich habe ihn ausgedruckt. In DIN A4. Sunny Chens Abschiedsbrief steckt im Seitenfach meiner Laptoptasche. Ich ziehe das Blatt heraus. Als ich meine Vermutung bestätigt sehe, wird mir sofort schlecht, und ich stecke es wieder zurück. Ich trinke noch einen Schluck Whisky und stelle mein Glas so heftig ab, dass etwas herausschwappt. Stephanie wischt es mit ihrer Serviette weg. Ich falte einen mentalen ozuru und dann noch einen. Ich spüre, wie der furchtbare Schwindel auf mich herabschießt. Ich bin überfordert. Mir ist immer noch zu heiß. Kein Luftzug geht hier. Nicht einmal ein Windhauch.
    »Hesketh, woher um Himmels willen hast du den blauen Fleck?« Sie schaut auf meinen Arm.
    »Jonas Svensson. Im Krankenhaus. Er hat mich gepackt.«
    »Aber das sind nicht die Fingerabdrücke eines Erwachsenen. Was ist passiert? Geht es dir gut?«
    Nein. Es geht mir nicht gut.
    Ich räuspere mich. »Woher hast du die Kette?«
    »Hesketh, du lenkst vom Thema ab.«
    Begreift sie denn nicht, dass es dringend ist? »Ich habe gefragt, woher du sie hast.«
    Sie seufzt, greift hin und betastet sie mit den Fingern. »Gefällt sie dir?«
    »Das ist irrelevant. Ich muss wissen, woher du sie hast.« Sie lächelt. Begreift sie denn nicht, dass ich unfähig bin, Smalltalk zu machen? Sie beugt sich vor, als wollte sie mir ein Geheimnis anvertrauen. Aber ich kenne die Antwort, bevor sie sie ausspricht. Natürlich. Dennoch spüre ich,

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