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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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wie meine Brust eng wird, als ich die Bestätigung höre.
    »Hesketh, was ist los?«
    Ich hole das Blatt wieder aus der Laptoptasche. Es ist an den Seiten verknittert. Ich streiche es auf dem Tisch glatt und lege es so, dass sie es richtig sehen kann. Sie schaut aber nicht hin. Dabei müsste sie es tun. Sollte es tun.
    »Er ist so geschickt mit den Händen«, sagt sie. Sie hält inne und bemerkt, was ich ihr da zeige. »Was ist das?« Sie wirkt verwirrt. »Wie … Hat Freddy das gezeichnet?« Sie nimmt das Blatt in die Hand. »Aber das ist Tinte. Freddy benutzt keine Tinte, oder? Und dieser Handabdruck hier, wie konnte er …«
    »Der ist nicht von Freddy. Erinnerst du dich an Sunny Chen?«
    »Den Informanten aus Taiwan.«
    »Er hat das hier seiner Frau hinterlassen, als er sich das Leben nahm.« Das Blatt beginnt in ihrer Hand zu zittern. Sie legt es behutsam zwischen uns auf den Tisch und rückt in ihrem Sessel nach hinten, als wäre das Papier kontaminiert.»Seine Frau besteht darauf, dass es nicht von ihm stammen kann. Der Handabdruck ist zu klein für einen Mann. Siehst du, dass das Muster zu deiner Kette passt? Ganz genau?« Ich deute auf den gezackten Kreis.
    Sie räuspert sich und fummelt am Verschluss der Kette herum.
    »Hilfst du mir mal?« Ich höre die Panik in ihrer Stimme. Sie will sie loswerden. Es kann ihr gar nicht schnell genug gehen. »Bitte. Zieh sie mir einfach aus.«
    Sie neigt den Kopf, und ich greife hinüber. Es fühlt sich sehr intim an, den Nacken dieser Frau zu betrachten. Es könnte eine Stelle sein, die Kaitlin geküsst hat, während sie von hinten Stephanies Brüste umfasste. Die Stelle, auf die ein Henker zielen würde, um einen sauberen Schnitt zu erreichen. Die Schließe ist ein klassischer Metallring. Freddy plündert Kaitlins alten Schmuck, um Perlen und Verschlüsse zu finden. Ich öffne den Verschluss und nehme ihr die Kette ab. Sie ist erstaunlich leicht. Pappmaschee. Natürlich. Kein Papierbrei, sondern kleine Papierfetzen, die schichtweise aufgeklebt werden. Freddy hat winzige Finger, wie Vogelkrallen. Handwerklich ist die Kette selbst für seine Verhältnisse überaus vollendet. Der größte Teil des Papiers ist weiß unter dem Lack, aber wenn ich genau hinsehe, kann ich gelbe Streifen erkennen, die eine andere Struktur aufweisen. Origami-Papier. Die Formen – Perlen kann man sie eigentlich nicht nennen, obwohl sie als solche fungieren – erinnern an skelettartige Finger, die durch eine Angelschnur aus Nylon verbunden sind. Ich lege sie auf den Tisch neben Sunnys Selbstmordzeichnungen.
    Kein Zweifel. Die Konfiguration ist die gleiche.
    »Und es gibt keine Möglichkeit, dass Freddy das irgendwo gesehen und kopiert haben könnte? Ich meine, das würde erklären …«
    »Nein. Außer du hättest es ihm gegeben.«
    »Aber ich habe es noch nie gesehen.«
    »Hast du dir die Akte Chen angeschaut?«, frage ich.
    »Ich habe nur deinen Bericht gelesen, das ist alles. Aber diese Zeichnungen wurden darin nicht erwähnt.«
    »Ich hatte sie selbst noch nicht gesehen. Und als ich sie dann vor mir hatte, konnte ich nicht erkennen, was sie bedeuten. Ich weiß es noch immer nicht. Wann hat er dir die Kette geschenkt?«
    »Letzten Monat. Zum Geburtstag. Am 22.«
    »Das war, bevor Sunny Chen gestorben ist. Sogar bevor er Jenwai sabotiert hat.«
    »Und was ist mit dem Auge?« Sie deutet darauf.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und dem Handabdruck?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Würdest du eine Vermutung riskieren?«
    »Es könnte Stopp bedeuten.«
    »Inwiefern Stopp?«
    Ich schlage mit der Hand auf den Tisch. »Ich weiß es nicht!«
    Ich bin überfordert. Stephanie ist es wohl auch, denn sie sagt leise: »Meine Güte, was geht hier nur vor, Hesketh? Was zum Teufel geht hier vor?«
    Und wieder weiß ich es nicht. Ich schaukle und schaukle, hin und her. Ich weiß es nicht ich weiß es nicht ich weiß es nicht.

8
    Kaitlins Haus an der Fulham Palace Road, Baujahr 1910, ist ein klassisches Londoner Reihenhaus aus verblichenem rotem Backstein. Die Haustür trägt noch dasselbe Französisch-Grau, in dem ich sie beim Einzug gestrichen habe. Doch die Metallbehälter mit Kletterefeu und Miniaturbuchsbäumen sind neu, und die Jalousien wurden durch Vorhänge ersetzt. Ich treffe um 11.16 Uhr ein, vierzehn Minuten früher als geplant. Nach meiner Rückkehr aus Dubai vor zwei Tagen habe ich in einem Flughafenhotel in London gewohnt und daher meinen Koffer dabei. Es ist Mittwoch, der 26. September. Die Temperatur

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