Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
dass meine Kinder auf dem Schulweg von der Konzernsicherheit observiert wurden, bis sie es merkten, und sich der Große dann in die Büsche schlug und nicht mehr gesehen ward. Außerdem warnte mich mein Vater vor einigen Charaktereigenschaften: zum Beispiel vor meiner Großzügigkeit. Menschen brauchen Strenge, eine gewisse Härte. Aber man kann auch in Liebe streng sein. Streng sein muss man lernen, wenn man es nicht in den Genen hat.
Ist Ihr Vater streng?
Nein, wir sind uns sehr ähnlich. Doch welcher Führungsstil richtig ist, hängt auch von der Unternehmensphase ab. Zu seiner Zeit hat es genauso einen Typen wie ihn gebraucht, der die Telekom aus der Politik rausholt, und zwar mit einer gnadenlosen Geduld. Dann kam die Phase des Börsengangs und der Expansion: Geld reinholen. Da war einer, der die Öffentlichkeit genießt wie Ron Sommer, der Richtige. Als ich anfing, war gerade die Internetblase geplatzt. Kommunikationsunternehmen wie die France Télécom bekamen damals Geld vom Staat. Wir nicht. Ohne aus dem Nähkästchen zu plaudern, in den ersten Monaten haben wir oft spätabends da gesessen und überlegt: Was machen wir denn jetzt? Hinterher habe ich mir anhören müssen: Wie konntest du das Handy-Geschäft in Russland verkaufen, es war doch ein schnell wachsender Markt?
Sie mussten Konzernteile losschlagen, um Geld reinzuholen.
Ja. Wenn man 24 Milliarden Verlust schreibt und die Finanzmärkte dicht machen, wird es eng.
Fühlten Sie sich von Ihrem Job manchmal überfordert?
Nie. Als mich mein damaliger Aufsichtsratschef Zumwinkel zum Rücktritt aufforderte, kam das für mich ja überraschend.
Als Auslöser galt eine Gewinnwarnung fürs aktuelle Geschäftsjahr …
… Sie können das jetzt als Beschönigung meinerseits ansehen, aber mein Empfinden ist, dass ich nach der Gewinnwarnung gemeinsam mit René Obermann und Karl-Gerhard Eick, dem damaligen Finanzchef, einen Plan entwickelt habe, der von meinen Nachfolgern eins zu eins umgesetzt wurde.
Die Gewinnwarnung kam angeblich zu spät …
… zu spät? Man könnte auch sagen, sie kam zu früh. Sie lag genau zu dem Zeitpunkt auf meinem Tisch, als meine Vertragsverlängerung anstand. Komisch.
Glauben Sie, dass ein Rivale damit in der Öffentlichkeit die Stimmung gegen Sie drehen wollte?
Lassen wir das. Was halten wir uns damit auf? Es spielt keine Rolle mehr.
Hing Ihnen der Rausschmiss lange nach?
Nein. Ich war in den Wochen danach viel in den Bergen wandern, ich strengte mich körperlich an – mit beiden Füßen auf der Erde. Dort habe ich die Belastungen der Jahre zuvor rausgeschwitzt. Ich war alleine in Südamerika, ohne Familie, zum ersten Mal in meinem Leben. Ich war mit meiner Frau im Himalaya wandern und habe mich viel mit Meditationstechniken befasst. Damit hatte ich schon während meiner Zeit bei der Telekom begonnen.
Sie meditierten als Vorstandschef?
Ja, morgens eine halbe Stunde. Nicht jeden Morgen, die Disziplin hatte ich nicht.
Hat es geholfen?
Absolut. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft gehabt hätte, den ganzen Druck durchzustehen, wenn ich mich nicht mit diesen Techniken auseinandergesetzt hätte.
Kann man denn Meditation lernen, wenn man so unter Druck steht?
Nur dann. Dann bringt man die Disziplin auf. Ich merkte, dass es mir gut tat. Es ist meine feste Überzeugung, dass man sich im Leben nur über Extremsituationen weiterentwickelt, schneller weiterentwickelt.
Was haben Sie in den vier Jahren an der Spitze der Telekom über Menschen gelernt?
Dass man immer misstrauisch sein muss. Ich habe nur sehr wenige Freunde. Wem können Sie sonst noch vertrauen? Bis zum Letzten? Wer wirft sich in die Kugel? Wer sagt die Wahrheit, auch wenn es ihm selbst möglicherweise schadet?
Haben Sie vielleicht unterschätzt, dass in so einer Unternehmensspitze jeder seine Interessen hat?
Je höher man steigt, um so misstrauischer muss man sein, weil jeder, der um die Ecke kommt, im Zweifel etwas will.
In Deutschlands Konzernen scheint generell eine Kultur des Misstrauens zu herrschen. Bei Lidl, bei der Bahn wurden Mitarbeiter ausgespäht. In Ihrer Amtszeit auch bei der Telekom.
Aber in meinem Fall geschah das nicht aus Paranoia, sondern um dem Insider-Gesetz zu genügen. Es waren über eine lange Zeit vertrauliche Informationen aus dem Aufsichtsrat an die Presse gelangt. Das ist Geheimnisverrat und strafbar. Also gab ich dem Chef der Konzernsicherheit den Auftrag, Vorschläge zu entwickeln, wie man die ständigen Indiskretionen verhindern
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