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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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konnte nichts schaden, sich einen leichten Anstrich von Hilflosigkeit zu geben — nicht so dick aufzutragen, wie sie es wohl getan hätte, wenn sie die Müllerstochter in einer Posse wie
Die Geschichte des Landpriesters
spielen würde, sondern gerade so viel davon an den Tag zu legen, dass Eneas sie als bedrängte kleine Schwester sehen würde, deren Interessen es zu schützen galt.
    »Da er im Auftrag meines Vaters unterwegs war, führte Risto Brieftauben mit, um Botschaften nach Tessis zurückzuschicken. Die letzte Schar Tauben holte er sich aus unserer Grenzfestung in Drymussa, und es war einfach nur Glück, dass ich ihn dort sah. Ich beschloss, noch zwei Tagzehnte mit meinen Männern zu warten, ehe ich wieder aufbräche, weil ich neugierig auf seinen Bericht über die Lage in Hierosol war.«
    »Wie klug von Euch, Hoheit«, sagte Ivgenia.
    Eneas sah sie leise tadelnd an. »Es war, wie ich eben sagte, reines Glück, mein Fräulein. Ich kam gar nicht auf die Idee, dass Risto eingeschlossen werden könnte. Xis hatte Hierosol schon seit Jahren bedroht, aber niemand von uns hielt es für mehr als nur Bluff, da es für die xixischen Autarchen leichter war, auf den reichen Inseln vor der Südküste lohnende Beute zu machen. Jedenfalls, es kam Nachricht von Risto, und ich war mit einem Trupp kampfbereiter Männer in der Nähe. Wie gesagt, das Glück war mit uns.«
    »Der Segen der Götter«, murmelte Briony.
    Eneas nickte. Er war bekannt für seine Frömmigkeit und hatte in aller Stille mehrere Tempel mit großzügigen Spenden bedacht, während seine jüngeren Geschwister ihr Geld für irdische Freuden ausgaben. »Ja, ein Segen in der Tat. Seid Ihr sicher, dass Ihr das alles noch einmal hören wollt?«
    »Bitte«, sagte Briony. »Wir erfahren so wenig aus erster Hand.«
    Er sah sie merkwürdig an. »Aber Ihr habt Euch doch, wie ich hörte, draußen in der Welt umgesehen, Prinzessin Briony, sowohl auf dem Weg hierher als auch nach Eurer Ankunft.«
    Sie war im ersten Moment verdutzt, bis ihr aufging, dass er wohl ihren Ausflug mit Ivgenia meinte. Aber warum sollte sich Eneas für so etwas interessieren? Es sei denn, er interessierte sich generell für Briony und hatte herumgefragt ... Doch sie durfte sich ihrer selbst nicht zu sicher sein: Vielleicht interessierte er sich ja auch für Ivgenia — schließlich war sie ein hübsches, lebhaftes Mädchen aus einem angesehenen Adelsgeschlecht.
    »Ich habe es schon an allen möglichen Orten geschafft, mich in Schwierigkeiten zu bringen, Prinz Eneas«, erklärte sie, Feivals Grinsen ignorierend. »Offenbar brauche ich bessere Ratgeber, die mich vor Dummheiten bewahren. Ich hoffe doch, Ihr scheut Euch nicht, mich von Eurer Klugheit profitieren zu lassen.«
    Er lächelte. »Es wäre mir eine Ehre, Prinzessin. Aber soweit ich gehört habe, habt Ihr Euch auch allein ausgesprochen beherzt und gut zu behaupten gewusst.«
    Er sah wirklich sehr gut aus — daran gab es nichts zu deuteln. Brionys Gefühle bei alldem waren zwiespältig. Einerseits kam sie sich vor wie eine Betrügerin — eine richtige, nicht nur so wie die Pachtbauern, die Ivgenias Vater einen halben Scheffel Gerste vorzuenthalten suchten, um über den Winter zu kommen. Schließlich wollte sie diesen jungen Mann benutzen, nicht zu seinem Besten oder dem seines Landes, sondern im Interesse ihrer Familie — auch um ihr eigenes Versagen wiedergutzumachen. Doch dieser Plan hatte mehrere Haken. Zum einen war Eneas vielleicht zu klug, um sich manipulieren zu lassen, und in diesem Fall stieß sie womöglich jemanden vor den Kopf, der ihr ansonsten hier am Hof ein wertvoller Verbündeter werden könnte. Und zum zweiten war der Prinz nicht die Sorte Mann, die sie leichten Herzens ausnutzen konnte. Nach allgemeiner Darstellung (außer seiner eigenen, die eher zur Bescheidenheit tendierte) war Eneas gütig, intelligent und äußerst mutig. Er liebte seinen Vater, war aber nicht blind für die Fehler seines eigenen Landes. Und er stand, wie ihr alle versicherten, in unerschütterlicher Treue zu seinen Freunden. Wie konnte sie da ihre sogenannten weiblichen Listen einsetzen, um zu bekommen, was sie wollte — eben jene Methoden, die sie bei ihrer Stiefmutter Anissa und den anderen Edelfrauen am Hof von Südmark so verachtet hatte?
    Aber es muss sein, weil die Sache, um die es geht, so wichtig ist,
sagte sie sich.
Mein Volk. Menschenleben. Der Thron meines Vaters.
    Ja, und Rache an den Tollys,
erinnerte sie ein hartnäckiges

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