Die Daemmerung
aber andere ... verzeiht mir, Briony, aber ich will Euch die Wahrheit sagen, um Euretwillen ... andere sagen, Ihr haltet Euch für etwas Besseres.«
»Etwas Besseres?« Sie war verblüfft. Dass die Leute an diesem grandiosen, dekadenten Hof ihr Stolz unterstellten, ging über ihre Vorstellung. »Ich halte mich nicht für besser als irgendjemanden und schon gar nicht als alle diese vornehmen Edelleute und Edelfrauen. Ich mische mich nicht unter sie, weil ich diese Kunst verlernt habe, nicht weil mir ihre Gesellschaft nicht gut genug ist.«
»Also doch!«, sagte Ivgenia triumphierend. »Es ist so, wie ich den Leuten gesagt habe — Ihr fühlt Euch deplaziert, nicht überlegen. Aber im Ernst, Briony, Ihr müsst Euch mehr mit dem Hofadel abgeben. Die Leute verfallen leicht ins Klatschen und Tratschen, und Jenkin Krey ist Eurem Ansehen nicht gerade dienlich, wenn Ihr nicht dabei seid.«
Der Name des Tolly'schen Gesandten traf sie wie ein Guss kaltes Wasser. Seit Tagen ging sie dem Mann aus dem Weg, und er schien es umgekehrt genauso zu halten.
»Ah, ja ... da hast du sicher recht. Danke fürs Mitdenken, Ivvie, aber jetzt bin ich müde und würde mich gern hinlegen.«
»Ach, liebe Briony?« Ivgenia sah unglücklich drein. »Habe ich Euch gekränkt, Prinzessin?«
»Überhaupt nicht, Liebes — ich bin einfach nur müde. Ihr anderen mögt euch jetzt ebenfalls zurückziehen. Feival, bleib du noch einen Moment, ich habe noch etwas Geschäftliches mit dir zu besprechen.«
Als die Frauen gegangen waren oder sich zumindest diskret außer Hörweite begeben hatten, wandte sie sich an den Schauspieler. »Krey ist meinem Ansehen nicht gerade dienlich? Was meint sie damit?«
Feival Ulian runzelte die Stirn. »Das müsst Ihr doch wissen, Briony. Er ist die rechte Hand Eures Feindes. Was glaubt Ihr, was er tut? Er arbeitet gegen Euch, wo immer er kann.«
»Wie denn?« Zorn überkam sie — Zorn und Angst. Tessis war nicht ihre Heimat. Briony war hier von Fremden umgeben, und gewisse Leute wollten offenkundig ihren Tod. Sie warf ihre Handarbeit — für sie bestenfalls ein ungeschicktes So-tun-als-ob, das ihr gegen den Strich ging — auf den Tisch. »Was tut er?«
»Über seine konkreten Aktivitäten habe ich noch nichts Verlässliches gehört.« Feival hatte sich abgewandt und betrachtete sich in einem Spiegel an der Wand, eine Angewohnheit von ihm, die Briony verrückt machte, vor allem, wenn sie ernsthafte Dinge mit ihm besprechen wollte. »Aber er hetzt gegen Euch — vorsichtig und natürlich nie in größerer Gesellschaft. Er sagt hier ein leises Wörtchen, lässt dort eine beiläufige Andeutung fallen ... Ihr wisst doch, wie so etwas geht.«
Sie tat ihr Bestes, ihre Wut im Zaum zu halten: Es nützte ihr nichts, sich davon überwältigen zu lassen. »Und welche Verleumdungen verbreitet Jenkin Krey?« Sie hatte es zutiefst satt, auf Feivals Rücken zu blicken. »Bei den Masken Zosims, Mann, dreh dich um und rede?«
Er drehte sich zu ihr, überrascht und vielleicht auch ein wenig ärgerlich. »Er sagt vielerlei, jedenfalls wurde mir das berichtet — er ist nicht so dumm,
mir
Lügen über Euch aufzutischen.« Feival machte ein Gesicht wie ein schmollendes Kind. »Großenteils sind es einfach nur beleidigende kleine Bemerkungen — dass Ihr Euch benehmt wie ein Mann, dass Ihr gern in Männerkleidern herumlauft und nicht nur zur Tarnung, dass Ihr übellaunig und zänkisch seid ...«
»Bis hierher gar nicht so falsch«, sagte Briony mit einem grimmigen Lächeln.
»Aber das Hässlichste von allem sagt er nie direkt, nur in Andeutungen. Er lässt durchblicken, dass zuerst alle dachten, dieser dunkelhäutige Shasto hätte Euch entführt ...«
»Shaso. Er hieß Shaso.«
»... dass aber inzwischen die Leute in Südmark glauben, es sei nicht gegen Euren Willen geschehen. Es sei Teil eines Plans gewesen, Euch des Throns Eures Vaters zu bemächtigen, und nur Hendon Tollys Anwesenheit habe euch beide an der Durchführung dieses Plans gehindert.« Er wurde ein wenig rot. »Das ist wohl das Übelste.«
»Uns beide? Meinen Bruder Barrick und mich?«
»Nein. Seinen Andeutungen zufolge war Euer Zwillingsbruder ebenfalls ein Opfer, weil Ihr ihn in den Kampf gegen die Zwielichtler und damit in den Tod geschickt hättet. Euer Spießgeselle, so behauptet Krey, sei eben jener dunkelhäutige Waffenmeister gewesen, dieser Shast
Shaso —
der auch schon Euren anderen Bruder getötet habe. Und er sei ...
mehr
für Euch gewesen als nur ein
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