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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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beschloss man, einen der Soldaten in den Palast zu schicken, um Hesper und den Hof vom Nahen des Autarchen in Kenntnis zu setzen.
    Der Palast von Gremos Pitra thronte auf einem Kliff über dem Hafen, doch in den Jahren des Friedens hatte man den steilen, schmalen Weg dort hinauf zu einer breiten Serie sanfter Serpentinen umgestaltet. Selbst Vash, alt und steif wie er war, fand den Aufstieg vom Hafen zum Palasttor nicht allzu beschwerlich, konnte aber trotzdem nicht verstehen, warum man so viel Zeit auf eine so merkwürdige Übung verwandte.
    Als sie sich dem Palast näherten, schwang das Tor auf und offenbarte eine Demonstration bewaffneter Übermacht: Bewaffnete überall auf den Mauern und hundert weitere, die den Eingang flankierten. Der Autarch ging an ihnen vorbei, als wären es seine eigenen ergebenen Untertanen: ohne nach rechts oder links zu blicken, gemessenen, aber nicht übermäßig langsamen Schritts, sodass sich die Teppichsklaven sputen mussten. Die Prozession durchquerte einen geometrisch angelegten Innenhof, der sich rasch mit jellonischen Höflingen und Hofbediensteten füllte, wobei die hinteren die Hälse reckten oder gar die Hecken niedertrampelten, um einen Blick auf den berüchtigten wahnsinnigen Autarchen von Xis zu erhaschen.
    Da viele von den jellonischen Soldaten der Parade körbeschleppender Sklaven in die große Halle folgten, waren der Autarch und sein kleines Gefolge regelrecht eingekesselt: auf allen Seiten Bewaffnete in grünen Wappenröcken mit dem blauen Hahn und den goldenen Ringen des jaelischen Geschlechts, dem Hesper entstammte. Der mächtige Baldachinthron des Königs stand am anderen Ende des hohen Saales, umgeben von Dutzenden gaffender Höflinge, die so fasziniert von den Eintretenden waren, dass sie nicht einmal tuschelten. Der Saal war lang, und Vash kniff die Augen zusammen, um die kleine Gestalt auf dem riesigen Thron, die eher wie ein Sack zum Waschen bestimmter Wäsche wirkte, genauer erkennen zu können. Tatsächlich sah der König von Jellon alt und krank aus, die Haut blass, die Augen tief eingesunken und mit dunklen Ringen. Er war ganz in Weiß gekleidet, was den unseligen Effekt hatte, dass er einem Toten im Grabtuch ähnelte.
    Sulepis ging zügig auf ihn zu, die hastenden Teppichsklaven als Wegbereiter, und blieb dann ein paar Schritte vor den Thronstufen stehen. Vash fürchtete, es würde seinen Gebieter erzürnen, zu einem weniger mächtigen Herrscher aufblicken zu müssen, doch falls dem so war, ließ es sich der Autarch nicht anmerken. Die jellonischen Wachen befingerten nervös ihre Waffen, aber ihr Herr hob eine zitternde Hand.
    »Aha«, sagte Hesper heiser, »der vielgefürchtete Imperator des Südens. Ihr seid jünger, als ich dachte. Was wollt Ihr?«
    »Man sagte mir, Ihr fühlt Euch nicht wohl«, sagte Sulepis schlicht und sachlich. »Ich weiß die Freundlichkeit zu schätzen, dass Ihr es dennoch auf Euch nehmt, mich zu empfangen.«
    »Freundlichkeit?« Hesper straffte sich etwas. »Ihr habt mir mit Euren Kriegsschiffen gedroht, wenn ich Euch nicht empfinge. Seid nicht albern.« Seine Stimme, die gebieterisch hätte sein sollen, klang seiner Schwäche wegen nur nörgelnd. Trotzdem konnte Vash sehen, dass er einmal ein einschüchternder Mann gewesen sein musste.
    »Vielleicht habt Ihr recht«, sagte Sulepis. »Vielleicht sollten wir die Masken ablegen. Ich bin nicht nur gekommen, um Euch Geschenke zu bringen — obwohl es wirklich erlesene Geschenke sind.« Mit seinen goldenen Fingern winkte er den Sklaven, die die Körbe immer noch schulterten, als wäre der Boden des Thronsaals zu schmutzig, um solch wertvolle Objekte darauf abzustellen. »Sondern auch, um Euch zu sagen, dass ich sehr ungehalten bin, was Euch betrifft.«
    »Ungehalten?« Hesper schüttelte gereizt den Kopf. Vash konnte den Blick nicht von dem Mann wenden. Der König von Jellon war noch keine sechzig — wesentlich jünger als Vash selbst —, sah aber aus, als hätte er mindestens hundert Jahre auf dem Buckel, und harte Jahre noch dazu. »Bin ich ein Kind, dass mich das kümmern sollte?
Ich
bin ungehalten, weil Ihr meine Ruhe stört. Sagt, was Ihr zu sagen habt, und geht wieder.«
    »Ihr habt mir etwas versprochen, Hesper.« Der Autarch sprach im strengen, aber liebevollen Ton eines enttäuschten Vaters. »Ihr hattet etwas, das ich haben wollte — etwas, das ich Euch speziell für mich zu beschaffen bat —, aber Ihr habt es jemand anderem verkauft.«
    Jetzt erhob sich Gemurmel unter

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