Die Daemmerung
den Höflingen. Auch ohne zu wissen, was sein Herr vorhatte, war Vash sich ziemlich sicher, dass sie bald noch viel mehr Grund zum Murmeln haben würden.
»Was brabbelt Ihr da?«, fragte Hesper unwirsch, wirkte dabei aber wie jemand, den man bei einer Lüge ertappt hat.
»Aber wie Ihr seht«, sagte Sulepis, »habe ich es trotzdem bekommen.« Er klatschte in die Hände, und seine Wachen stießen König Olin vorwärts. Das Gemurmel der Höflinge wurde tatsächlich lauter, doch offensichtlich erkannten die meisten von ihnen den Herrscher der Markenlande nicht.
»Was ... was ...«, stammelte Hesper. »Was soll die Narretei?«
»Ich denke doch, der Narr hier ist der, der mir etwas verspricht und sich dann nicht daran hält«, sagte Sulepis ruhig. »Ich habe Euch gesagt, ich will Olin von Südmark. Ich habe Euch Gold gegeben, zum Zeichen meines guten Willens. Ihr habt mein Gold behalten, Hesper, und habt dann Olin an Ludis von Hierosol verkauft. So macht Ihr mich Euch nicht gewogen.«
Allmählich bekam es Vash wirklich mit der Angst. Hesper mochte ja alt und krank sein, und Sulepis mochte ja Kriegsschiffe drunten vor dem Hafen liegen haben, doch im Augenblick waren die Xixier von bewaffneten Feinden umstellt, und der Hafen war eine Meile entfernt. Warum legte es Sulepis auf eine Konfrontation an? Nahm er die Idee seiner Göttlichkeit zu ernst? Glaubte er wirklich, die Jellonier würden es nicht wagen, Hand an ihn zu legen, geschweige denn, ihn hier auf der Stelle in Stücke zu hacken? Dachte der Autarch vielleicht, die Menschen des nördlichen Kontinents wären wie sein eigenes Volk über hundert Generationen zur Verehrung eines Gottkönigs erzogen?
»Und Ihr, König Olin?« Sulepis schien in der Tat so gelassen, als stünde er in seinem eigenen Thronsaal, inmitten ergebener Untertanen und seiner eigenen Leopardengarde. »Habt Ihr diesem Mann nichts zu sagen, jetzt, da Ihr endlich vor ihm steht? Er war es, der Euch verraten, Euch Eurer Familie entrissen und wie ein Tier verkauft hat.«
Olin blickte von Sulepis zu Hesper und schlug dann die Augen nieder. »Ich habe nichts zu sagen. Ich bin ein Gefangener. Ich bin nicht aus eigenem freiem Willen hier.«
Hesper versuchte, sich zu erheben, schaffte es aber nicht und sank schwer atmend auf den mächtigen Thron zurück. Er zeigte auf den Autarchen. »Glaubt Ihr, Ihr könntet mich vor meinen eigenen Untertanen demütigen? Ihr mögt ja Herrscher über eine Million Schwarzhäutige sein, aber hier in Jellon seid Ihr nichts als ein Narr, der sich aufputzt wie ein goldener Pfau. Ihr habt mir Euren Besuch aufgedrängt. Ihr seid kein Gast, und ich schulde Euch kein sicheres Geleit.« Er wollte noch mehr sagen, doch ein längerer Hustenanfall hinderte ihn daran. Als er wieder sprechen konnte, war seine Stimme ein rauhes Krächzen. »Ich weiß nicht, ob ich Euch als Geisel nehmen oder einfach aus der Welt schaffen soll.«
»Es wird alles den Lauf nehmen, den der Himmel vorsieht«, erwiderte der Autarch lächelnd. »Olin, seid Ihr sicher, dass Ihr nichts mehr zu sagen habt? Ich habe Euch die Chance gegeben, Euren Feind zur Rede zu stellen.«
Vash spürte plötzlich einen schrecklichen Druck auf der Blase, und sein Herz schlug so schnell, dass er Angst hatte, vor all diesen Ausländern in Ohnmacht zu fallen.
»Hesper hat ein Unrecht an mir begangen«, sagte Olin, »aber Ihr habt mich hierhergeschleppt wie einen Eurer Tributkörbe — um Euren Reichtum und Eure Macht zu demonstrieren. Ich werde Euer Spiel nicht mitspielen, Sulepis.«
»Genug«, sagte Hesper und hustete wieder. »Ich ... ich habe ...«
»Es ist wirklich schade, dass Ihr nicht versteht, was ich alles für Euch tue, Olin«, sagte der Autarch. »Dass ich Euch aus einem schmählichen Los erhebe, zum heroischsten Ende, das nur denkbar ist. Und dann noch das hier ...« Er wandte sich wieder dem Thron zu. »Hesper, ich nehme an, Ihr seid schon lange krank — beinah ein Jahr, würde ich vermuten. Es begann, als Ihr Olin Ludis Drakava übergabt, habe ich recht?«
Hesper quollen vor Schmerz und ohnmächtiger Wut die Augen aus den Höhlen, während er gegen den Husten ankämpfte. Feine rote Tröpfchen sprenkelten seine weißen Gewänder. Ein Bediensteter trat mit einem Becher heran, aber Hesper wedelte ihn weg. »Krank, ja«, brachte Hesper schließlich leise und tonlos heraus. »Und im Stich gelassen von dieser Hure, die ich durch meine Gunst aus dem Nichts erhoben hatte. Verraten hat sie mich — hat sich davongemacht
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