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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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gebracht hatte, ließ es aber bleiben, weil er Opalia nicht aufregen wollte. »Ja, es heißt sogar«, fuhr er fort, »dass Sturmstein einen Gang anlegen ließ, der irgendwo in der Hauptburg herauskam — beim Thronsaal selbst!
    Nach ein paar Monaten, als unsere Leute mit den Arbeiten am Kornspeicher fertig waren, hatten sie auch alle Zugänge zu den Neuen Toren, wie die Zunftältesten die Gänge im Flüsterton nannten, fertiggestellt. Und seit damals hat es immer geheime Wege nach Funderlingsstadt und heraus gegeben. Die Zwielichtler verhielten sich die nächsten hundert Jahre ruhig, sodass viele der geheimen Gänge verfielen, aber soweit ich weiß, besitzen wir die Häuser und sonstigen oberirdischen Orte, die sie verbergen, noch immer.«
    »Ich hoffe für dich, dass du uns das alles nicht erzählst, weil du gedenkst, uns den ganzen Weg von hier bis an die Oberfläche marschieren zu lassen«, warnte ihn Opalia.
    »Nein. Wir sind fast da, mein altes Liebchen. Ich erzähle euch das alles deshalb, weil wir uns gerade in einem dieser Gänge befinden.« »Fast wo?«, fragte Flint.
    »Da, wo wir hinwollen — im Tempel der Metamorphose-Brüder.«
    »Aber warum sind wir so weit gelaufen?« Flint hörte sich nicht so an, als machte es ihm viel aus — er war einfach nur neugierig.
    »Weil am normalen Tor und selbst an manchen Hauptstraßen von Funderlingsstadt Oberirdlersoldaten stehen«, erklärte Chert. »Und die suchen einen gewissen Chert und seine Frau Opalia und einen großen Jungen namens Flint, der bei ihnen lebt.«
    »Das sind unsere Namen«, sagte Flint ernst.
    Chert war sich nicht sicher, ob Flint das seinerseits scherzhaft meinte oder nicht. »Ja, das wollte ich sagen. Wir sind die, die sie suchen, Junge — und sie wollen uns nichts Gutes.«
    Bruder Antimon erwartete sie mitten auf dem Weg durch die ausgedehnten Pilzgärten des Tempels der Metamorphose-Brüder; sein kräftiges, junges Gesicht war ungewohnt sorgenvoll. Hinter ihm spähten weitere besorgte Gesichter aus den Schatten der Säulenfassade des Tempels.
    »Die Brüder sind nicht gerade glücklich«, sagte Antimon zu Chert. »Nur damit Ihr Bescheid wisst. Großvater Sulphur war die ganze Nacht auf und hat gerufen, dass die Tage der Überschwemmung nahe sind.« Er nickte Opalia zu. »Seid gegrüßt, Frau Meisterin, möge der Segen der Alten mit Euch sein. Schön, Euch wiederzusehen.«
    Chert sah sich nach Flint um, der davongestreunt war und jetzt dem erratischen Kurs einer Höhlengrille durch die Gärten folgte. »Ist es wegen des Jungen?«
    Antimon zuckte die Achseln. »Ich würde vermuten, dass sie mit den beiden anderen Großwüchsigen mehr Probleme haben, Ihr nicht?« Er lachte, aber nicht zu laut — da waren immer noch Gesichter, die sie von der Säulenfront her beäugten. »Ganz zu schweigen von dem, was über der Erde passiert — dem Krieg gegen die Zwielichtler und der Gefahr, dass wir da hineingezogen werden. Trotzdem haben ein paar von uns nichts dagegen, wenn hier einmal alles ein bisschen durcheinandergerüttelt wird.« Er nickte vehement. »Es mag Euch überraschen, Meister Blauquarz, aber der Tempel ist nicht immer der aufregendste Ort zum Leben. Ich will mich nicht beklagen, versteht mich nicht falsch, aber Ihr habt uns während der letzten ein, zwei Jahreszeiten wahrlich die eine oder andere willkommene Abwechslung beschert.«
    »Danke ... wenn Ihr das so seht.«
    Opalia hatte endlich den Jungen wieder eingefangen. Chert winkte die beiden zum Eingang des Tempels herüber. Seine Frau machte große Augen, als sie die Säulenfassade hinaufschaute. »Ich hatte ganz vergessen, wie groß er ist?« Als sie sich dem Tempel näherte, verlangsamte sich ihr Schritt, als müsste sie gegen einen starken Wind ankämpfen. In gewissem Sinn tat sie das auch, dachte Chert — sie kämpfte gegen die ungeschriebene Tradition von Jahrhunderten an, dass der Tempel allein den Metamorphose-Brüdern und einigen wenigen wichtigen Außenstehenden vorbehalten war.
    Obwohl Chert schon zweimal hier gewesen war, hatte er den Tempel noch nie von innen gesehen, und als Antimon sie durch den Säulenvorbau in die Vorhalle führte, musste er gestehen, dass er von der Größe und Ausgestaltung des Tempels beeindruckt war. Die Decke der Vorhalle war fast so hoch wie die berühmte Steinreliefdecke von Funderlingsstadt selbst, wenn auch nicht halb so kunstvoll ausgeführt. Die Erbauer des Tempels hatten sich vielmehr Nüchternheit zum Leitprinzip gemacht und, wie es zu ihrer

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