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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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weit zurückliegenden Zeit üblich gewesen war, alles so schnörkellos und schlicht wie möglich zu halten versucht. Deshalb bestach das Kreuzgewölbe nicht durch ein Dekor von Blättern, Blumen oder Tieren, sondern durch klare Schwünge und wunderschön gerundete Abschlüsse. Das ließ den Saal wie etwas Flüssiges aussehen, das plötzlich gefroren war, so als hätte der Herr selbst den Tempel aus einem riesigen Eimer mit geschmolzenem Gestein gegossen, das augenblicklich erkaltet war.
    »Es ist ... wunderschön«, flüsterte Opalia.
    Antimon grinste. »Manchen gefällt das, Frau Meisterin. Ich für mein Teil finde es ein wenig ... streng. Wenn man tagein, tagaus an einem Ort ist, hat der Blick gern etwas, woran er sich festhalten kann, aber meiner kommt immer ins Rutschen und Glitschen ...«
    »Antimon«, sagte jemand scharf »habt Ihr nichts Besseres zu tun als zu schwatzen?« Es war der sauertöpfische Bruder Nickel, den Chert von seinem ersten Besuch kannte, und er wirkte kein bisschen netter als damals.
    Der junge Mönch schrak zusammen. »Entschuldigung, Bruder. Natürlich, selbstverständlich. Besseres ...«
    »Dann geht und tut es. Wir werden Euch rufen, wenn wir Euch brauchen.«
    Antimon sah jetzt betrübt drein — weniger, wie Chert vermutete, weil man ihn bei einer nutzlosen Unterhaltung ertappt hatte, als vielmehr deshalb, weil diese Unterhaltung unterbrochen worden war. Er verbeugte sich leicht und stapfte davon.
    »Er ist ein guter Junge«, sagte Chert.
    »Er ist ziemlich lautstark«, erwiderte Nickel. Er nickte Opalia kurz zu und ignorierte Flint völlig. »Ich nehme an, er hat Euch erzählt, in welchem Aufruhr dieser Ort ist.« Er führte sie durch eine Tür der mächtigen Tempelhalle in einen Nebengang mit Nischen auf beiden Seiten. Die Nischen waren leer, aber der verwischte Staub deutete darauf hin, dass sich in jeder etwas befunden hatte, das erst kürzlich weggenommen worden war. »Wir hatten friedlichere Zeiten, ehe wir Euch kennenlernten, Chert Blauquarz.«
    »Das liegt doch gewiss nicht nur an mir.«
    Nickel sah düster drein. »Wohl nicht. Es geschehen allerorten unerfreuliche Dinge, so viel steht fest. Dies sind die schlimmsten Zeiten seit Zunftvorsteher Sturmstein.«
    »Ja, ich habe gerade meiner Familie von ihm erzählt ...«
    »Es ist ein Jammer, dass die Großwüchsigen uns nicht einfach in Ruhe lassen können. Wir tun ihnen doch nichts zuleide«, sagte Nickel ärgerlich. »Wir wollen doch weiter nichts, als unsere alten Gebräuche zu bewahren und den Alten der Erde zu dienen.«
    »Vielleicht sind die Großwüchsigen ja Teil eines höheren Plans der Alten der Erde«, sagte Chert sanft. »Vielleicht tun sie nur das, was die Alten der Erde von ihnen wollen.«
    Nickel sah ihn lange an. »Ihr beschämt mich, Chert Blauquarz.« Es klang gar nicht erfreut. Gleich darauf blieb Nickel stehen und drückte eine Tür auf. Die Wände des dahinter liegenden Raums waren mit kleinen Körben voller Leuchtkorallen bestückt, sodass es hier im Vergleich zu dem dunklen Gang geradezu blendend hell war. »Tretet ein und gesellt Euch zu Euren Freunden. Sie sind hier, im Verwaltungszimmer der Bibliothek.«
    Es war, verglichen mit der großen Haupthalle, ein bescheidener, kleiner Raum, wodurch die darin befindlichen Männer — Großwüchsige, keine Funderlinge — umso grotesker überdimensioniert wirkten. Der Arzt Chaven lächelte, stand aber nicht auf, vielleicht weil er befürchtete, sich den Kopf an der Decke zu stoßen. Ferras Vansen, der noch einen halben Kopf größer war, erhob sich zu einer unbequemen, halb gebückten Haltung und ergriff Opalias Hand. »Es ist schön, Euch und Eure Familie wiederzusehen. Ich werde nie das Mahl vergessen, das Ihr mir am Abend meiner Rückkehr zubereitet habt — mit Abstand das Beste, was ich je gegessen habe.«
    Opalias Lachen drohte in ein mädchenhaftes Kichern umzuschlagen. »Darauf kann ich mir nicht viel einbilden. Für einen Halbverhungerten zu kochen ist wie ... wie ...«
    »Einen sonnengeblendeten Salamander zu fangen?«, schlug Chert vor und wünschte dann, er hätte es nicht getan — Opalia schien gekränkt. »Du bist zu bescheiden, Frau. Es weiß doch jeder, dass deine Küche zum Besten weit und breit gehört.«
    »Ja, ich wurde allerdings großartig beköstigt«, bestätigte Chaven. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal einen wohlzubereiteten Maulwurf so genießen könnte.« Er lächelte Flint an, der den Arzt auf seine übliche ernste Art

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