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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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und von da auf festen Boden.
    »Augenbinden umlassen«, sagte sie. »Ich sage euch, wann ihr sie abnehmen könnt.«
    Schließlich hörte Chert eine Tür aufgehen, und er und Flint wurden von Enas rauhhäutigen Händen behutsam hindurchbugsiert. Sofort drang beißender, salziger Rauch in Cherts Lunge.
    »Jetzt könnt ihr die Augenbinden abnehmen«, sagte Ena.
    Chert tat es, sobald er aufhören konnte zu husten. Sie standen in einem Raum, der aussah wie eine Oberirdler-Scheune. In einer Grube aus Steinen in der Bodenmitte toste ein mächtiges Feuer; Flammen, doppelt so hoch wie Chert, tauchten alles in stumpfes Rot-Orange. Beidseits des Feuers zogen sich lange Stangen von einem Ende des hohen, rechteckigen Raums zum anderen, alle paar Schritt von dickeren, roh zugehauenen Holzpfählen gestützt. An den Stangen hingen hunderte aufgeklappter Fischleiber.
    »Bei den Alten, es ist wirklich ein Dörrschuppen«, murmelte Chert, ehe ihn der nächste Hustenanfall überkam. Seine Augen brannten bereits von dem Rauch.
    »Oh, wer da, wer da?«
Die Stimme, obgleich leise, schien direkt in sein Ohr zu sprechen. Er fuhr erschrocken herum, sah aber nur Ena und den schweigenden Flint — es hätten die toten Fische sein können, die da gesprochen hatten. »
O je, o je, wir haben Papa Spröttchen wohl einen Schrecken eingejagt.«
Die unsichtbare Stimme lachte, ein brüchiges Wiehern.
»Kommt her
zu
uns, meine Lieben. Gibt nichts
zu
fürchten im Dörrschuppen — es sei denn, man ist ein Fisch. Hab ich nicht recht, Meve?«
    Chert zögerte, aber Flint war schon auf dem Weg zum Feuer. Als Chert um die Feuergrube herumging, sah er auf einer Bank dicht bei den Flammen zwei kleine Gestalten sitzen. Die eine, eine Skimmergreisin, stand auf, als Flint näherkam. Sie war winzig, kaum größer als Chert selbst, und obwohl die Leute dieses Fischervolks allesamt etwas leicht Froschartiges hatten, ähnelte dieses uralte Wesen am ehesten jenen halb mumifizierten Kröten oder Schlammspringern, die die Funderlinge manchmal in Fundamenten von Häusern entdeckten, die sie freilegten: verhutzelte, scheinbar leblose Kreaturen, die sich dennoch erholten, sobald man sie in Wasser setzte, obwohl sie jahrhundertelang im Lehm geschlafen hatten.
    »Guten Abend«, sagte die uralte Skimmerfrau. »Gulda heiße ich, und das hier ist meine liebe Schwester Meve.« Gulda deutete auf die andere Gestalt, die noch kleiner war als sie und völlig in einem groben Kapuzengewand verschwand, als ob ihr selbst am Feuer unangenehm kalt wäre. »Sie spricht nicht mehr so viel wie einst, aber was sie sagt, ist weise — stimmt's, meine Liebe?«
    »Weise«, krächzte die andere Frau ohne aufzublicken.
    »Und sei auch du gegrüßt, Turleys Tochter«, sagte Gulda zu Ena. »Du kannst bei deinem Seepony warten. Die Großen haben dir heute Abend nichts zu sagen, wenn sie's auch zweifellos ein andermal tun werden.«
    »Ein andermal«, wiederholte Meve, und ihre kratzige Stimme ließ darauf schließen, dass sie sich wirklich schon sehr lange in diesem rauchigen Schuppen aufhielt.
    Ena schien enttäuscht, widersprach aber nicht. Sie knickste vor den Schwestern und ging zur Tür.
    »Ihr seid die Hüterinnen der Waage«, vermutete Flint, als das Mädchen draußen war.
    »Warum sollten wir's nicht sein?« Guldas ledriges, glotzäugiges Gesicht wirkte fast schon erheitert, obwohl ihre Stimme einen scharfen Unterton hatte. »Wir haben das Wissen von unserer Mutter und sie von ihrer und immer so fort, zurück bis in die Zeit, als hier der erste Kiel auf Grund lief — wer sonst sollte die Waage hüten und polieren und ihre Geheimnisse kennen?«
    »Und der Gott spricht durch die Waage zu Euch«, sagte Flint, als wäre das ein ganz vernünftiger Satz. Für Gulda war er es offenbar, denn sie nickte brüsk.
    »Wenn er's für richtig hält.«
    »Richtig hält«, wiederholte Meve und nickte so behutsam, als könnte durch eine heftigere Erschütterung etwas an ihr kaputtgehen — Chert traute sich kaum zu husten. Wie alt waren diese Wesen?
    »In letzter Zeit hat der Gott viel zu Euch gesprochen«, sagte Flint.
    Erstmals zögerte Gulda. »Ja ... und nein ...«
    »Nein«, sagte Meve. »Ja.«
    »Er spricht zu uns.« Gulda schüttelte den Kopf. »Aber manchmal ist es, als hätten ihn die Träume verändert. Früher schien er nie so zornig wie jetzt. Als ob etwas in seinen Schlaf gelangt wäre und ihn plagt.«
    »Schlaf, plagt«, sagte Meve.
    »Vielleicht erinnert er sich ja, wie er die Welt verlassen

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