Die Daemmerung
Langfinger«, erklärte das Mädchen Flint und Chert und zeigte dabei auf einen der Männer. »Er ist der Vorsteher unserer Leute hier.«
»Was soll das, Tochter?« Turley schien irritiert durch die unerwartete Störung, fast schon verlegen, als ob er und die anderen dabei ertappt worden wären, wie sie irgendetwas ausheckten.
»Er sagt, er kommt als Bote von Kioy-a-pous«, sagte sie. »Frag nicht weiter, ich kann nicht mehr sagen. Ich bringe euch etwas zu trinken.« Sie zuckte die Achseln, machte dann einen missmutigen kleinen Knicks zu den Männern hin und verließ die Kabine.
»Warum berufst du dich auf einen solchen Namen, Junge?«, sagte Turley. »Du hast den Geruch des Nordkönigs an dir — des alten Ynnir Grauwind. Wir dienen weder ihm noch seinem sterbenden Herrn. Zu viele gebrochene Versprechen liegen zwischen unseren Völkern. Wir sind die Kinder Egye-Vars, des Herrn der Meere, was kümmert uns da Kioy-a-pous? Was kümmert uns der, den sie Krummling nennen?«
Flint reagierte höchst sonderbar auf die Worte des Skimmers. Zum zweiten Mal, seit er und Opalia das Kind in einem Sack an der Schattengrenze gefunden hatten, sah Chert einen Ausdruck von Zorn über das Gesicht des Jungen huschen. Es war nur ein kurzes Aufblitzen, wie Wetterleuchten an einem dunklen Himmel, doch in diesem Moment hatte Chert wahrhaft Angst vor dem Kind, das er in sein Haus aufgenommen hatte.
»Das sind alte Vorstellungen, Vorsteher«, erklärte Flint dem Skimmer. Sein Zorn war wieder verflogen oder zumindest unsichtbar. »Für einen der Großen Partei zu ergreifen, gegen einen anderen — das ist eine Strategie aus den Zeiten, als die Welt noch jung war und die Sterblichen darin keine andere Rolle hatten als die, die ihnen die Götter zubilligten. Die Dinge haben sich geändert. Egye-Var und die anderen wurden nicht ohne Grund verbannt, und euch und den anderen Erben wäre es gar nicht recht, wenn sie wiederkämen, um zurückzufordern, was ihnen gehörte.«
»Wie meinst du das?«, fragte der Vorsteher der Skimmer. »Warum bist du hier? Was hast du uns zu sagen?«
»Nicht was ich euch zu sagen habe, ist wichtig, sondern was ich euch fragen muss«, sagte der Junge mit unerschütterlicher Gelassenheit. »Bringt mich zu den Hüterinnen der Waage.«
Der Anführer der Skimmer war so verblüfft, dass er zurückwich, als hätte ihn dieses seltsame Kind geschlagen, und sein Mund eine Weile arbeitete, ohne dass etwas herauskam. »Was ... wovon sprichst du?«, fragte er schließlich, aber es klang wie ein lahmer Versuch, seine Autorität zu behaupten.
»Ich spreche, wie Ihr bereits wisst, von den beiden Schwestern«, sagte Flint. »Vieles könnte davon abhängen. Bringt mich zu ihnen, Vorsteher, und vergeudet nicht noch mehr Zeit.«
Hilflos sah Turley Langfinger die anderen Skimmer an, doch die schienen noch entgeisterter als er: Die Augen fielen ihnen fast aus dem Kopf »Das ... können wir nicht«, sagte ihr Anführer schließlich. In seinen Worten lag kein Widerstand mehr, sie waren ein Eingeständnis, keine Weigerung. »Kein Mann, der in die Schwarmversammlung aufgenommen wurde, darf die Schwestern aufsuchen ...«
»Aber sie müssen hin, und mein Rafe ist nicht da«, sagte die Tochter des Vorstehers. »Wenn du sie nicht hinbringen kannst, Vater, tue ich es.«
Wenn Chert gedacht hatte, Turley Langfinger würde wütend über das Mädchen herfallen, es schlagen oder aus dem Raum jagen, hatte er sich getäuscht. Der Skimmer klang schon fast defensiv. »Aber Tochter, dies ist kein Tag, um sich den Schwestern zu nähern ... kein Beichttag, es ist kein Salz verstreut worden ...«
»Unsinn, Vater.« Sie schüttelte so tadelnd den Kopf, als wäre er ein Kind, das Unordnung angerichtet hat. »Hör doch! Dieses Kind spricht von Dingen, die kein Außenstehender wissen kann und schon gar kein Landbeinerkind. Er spricht von
der Waage!
Als ob wir nicht schon wüssten, dass eine Zeit der Veränderung über uns hereingebrochen ist.«
»Aber Ena, wir können doch nicht ...«
»Du kannst mich später bestrafen, wenn du willst.« Sie stand auf. »Aber ich bringe sie jetzt zum Dörrschuppen.«
Jetzt war der Damm gebrochen: Die anderen Skimmermänner redeten alle gleichzeitig los, ereiferten sich, zischten, suchten Turleys Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, zeigten mit den langen Fingern auf die Tochter des Anführers, als wäre sie nackt in den Raum gekommen. Es wurde immer lauter, bis Turley schließlich Ruhe gebietend mit den langen Händen
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