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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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wedelte, doch es war nicht
seine
Stimme, die sie zum Schweigen brachte.
    »Dann tut es«, sagte Flint. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Es ist nicht einmal mehr ein ganzer Mond bis Mittsommer.«
    »Folgt mir.« Ohne die empörten und sichtlich nicht mehr ganz nüchternen Blicke der Skimmermänner zu beachten, nahm das Mädchen einen Schal von einem Haken an der Wand und legte ihn sich um. »Aber passt auf, wo ihr hintretet — der Weg ist an manchen Stellen gefährlich.«

    Zu Cherts Erstaunen führte das Mädchen sie nur zu einem Schwimmsteg, der am Heck des klapprigen Kahns vertäut war. Der Mond war irgendwo hinter der äußeren Ringmauer verschwunden, und es war so dunkel, dass sie, wäre da nicht das gedämpfte Funkeln der Sterne gewesen, wenn der Wind die Wolken aufriss, auch in einem der tieferen Gänge der Mysterien hätten sein können.
    Ena zeigte auf ein Ruderboot, das an dem Steg dümpelte. »Steigt ein.«
    Chert dachte, etwas Schlimmeres, als in ein Boot zu steigen, wo man über sich nur Luft und unter sich nur Wasser hatte, könnte es nicht geben. Doch er wurde rasch eines Besseren belehrt.
    »Jetzt legt das hier an«, sagte Ena und reichte Chert und Flint je ein Stück Tuch. »Bindet es euch um die Augen.«
    »Damit wir nichts mehr sehen?« Chert blieb fast die Luft weg. »Seid Ihr verrückt?«
    »Wenn ihr es nicht tut, bringe ich euch nicht hin. Der Weg zum Dörrschuppen ist nichts, was Landbeiner kennen sollten, nicht mal solche, die behaupten, Kioy-a-pous zu dienen.«
    »Bitte, Vater«, sagte Flint. »Es wird alles gut.«
    O ja, sicher,
dachte Chert.
Warum auch nicht? Wenn wir ins Wasser fallen, wird der Junge vielleicht auch die Haifische bannen wie eins der heiligen Orakel.
Höchst widerstrebend band er sich das salzsteife Tuch um die Augen. Gleich darauf fühlte er, wie sich das Boot in Bewegung setzte.
Was ist diesem Kind wirklich hinter der Schattengrenze widerfahren — und als es beim Leuchtenden Mann war?
    Der Leuchtende Mann. Chert hatte wieder das Bild vor Augen, wie der Junge zu Füßen der mächtigen Figur lag. Wie alle Funderlinge hatte Chert gelernt, dass der Leuchtende Mann das Abbild ihres Schöpfers war, des Herrn des Heißen Nassen Steins. Während der Mysterien hatte man ihm und den anderen, die den Übertritt ins Erwachsenenalter vollzogen, sogar zu verstehen gegeben, dass die mächtige kristalline Gestalt irgendwie lebendig war — dass die Kraft des Gottes in ihr lebte. Warum war der Junge einfach allein davongewandert, um sie aufsuchen? Und was hatte er mit diesem seltsamen Spiegel gemacht — dem, der dann dieser schrecklichen Qar-Frau hatte überbracht werden müssen, was Chert beinah das Leben gekostet hätte? Und vor allem — was bei den Alten der Erde hatte der Junge jetzt vor? Flint hatte den alten Bruder Sulphur mit Fragen gelöchert, bis dem Greis der Kragen geplatzt war, und jetzt hatte er Zutritt zu irgendeinem der Schätze dieser geheimnisvollen Skimmer gefordert — und würde ihn sogar erlangen! Schwestern, Waage — Chert hatte keine Ahnung, was das sein sollte, er wusste nur, dass er etwa so viel Kontrolle über das Geschehen hatte wie jemand, unter dem ein Felsrutsch losbricht: Er konnte sich nur noch festhalten und beten ...
    Diese und hundert weitere Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während die Ruder quietschten und die Wellen sachte gegen den Bootsrumpf klatschten. Irgendwann fuhren sie durch einen langen Tunnel, wo die Geräusche vom Stein widerhallten. Als der Hall aufhörte, begann das Wasser, das bis dahin so ruhig gewesen war, wie man es von einer Lagune innerhalb von Burgmauern erwarten konnte, das Boot so heftig zu schaukeln, dass Chert panisch an seiner Augenbinde zog.
    »Nicht!«, sagte Ena. Sie klang atemlos, als leistete sie Schwerarbeit. »Lasst das Tuch um, oder ich bringe euch sofort wieder zurück.«
    »Was ist los?«
    »Nichts, Funderling. Bleibt einfach ruhig sitzen.«
    Chert fühlte, wie Flint herüberlangte und seinen Arm drückte, also ließ er widerstrebend die Augenbinde um. Was ging hier vor? Waren sie auf dem offenen Meer? Aber wie hätten sie da hinauskommen sollen, durch den Hafen und die Hafenkette? Und was war mit den Qar-Belagerern? Das war doch völlig unmöglich.
    Endlich, nach mindestens einer gefühlten Stunde, deren zweite Hälfte ein einziges auf den Magen schlagendes Schaukeln gewesen war, fühlte Chert, wie der Bug des Bootes an etwas Festes stieß. Das Mädchen sprang hinaus, half ihnen beiden auf einen Steg

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