Die Daemmerung
der einzige Zeuge gegen Euch wären, könnte das ein gewisses Argument sein, Prinzessin. Aber da ist noch mehr.«
»Ich bin überhaupt keines Unrechts schuldig, Majestät. Ich schwöre es. Ruft Eure Zeugen auf«
»Habe ich es nicht gesagt, Enander?«, sagte Ananka triumphierend. »Sie spielt die Unschuldige so überzeugend. Und doch hatte sie es auf nichts Geringeres abgesehen als auf Euren Sohn und Euren Thron?«
Enanders Thron? O Götter, das war Hochverrat. Darauf stand selbst für Prinzessinnen der Tod, und zwar kein schneller. Mit Mühe brachte sie die Worte hervor. »Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht, Lady Ananka — ich schwöre vor Perin und allen Göttern, ich bin unschuldig!«
»Ihr wolltet Prinz Eneas umgarnen. Das weiß jeder. Ihr habt Euch an ihn herangemacht, die errötende Jungfrau gespielt, während es Euch nur darum ging, ihn in Euer Bett zu locken und Eurem Willen zu beugen! Und das war nur der Anfang Eures finsteren Vorhabens?«
»Das ist eine abscheuliche Lüge!«, rief Briony. »Wo ist der Prinz? Fragt ihn doch selbst. Unser Umgang miteinander war immer anständig und ehrenhaft, was mehr ist, als man von Eurem Umgang mit mir sagen kann!«
»Er ist außerhalb Eurer Reichweite«, sagte Ananka sichtlich befriedigt. »Euren Lügen und falschen Vorspiegelungen entzogen. Eneas wurde soeben mit seinen Soldaten aus Tessis fortbefohlen. Eure Betörungsversuche nützen Euch gar nichts.«
Briony rang so heftig mit ihrem Zorn, dass ihr war, als wäre plötzlich die ganze Kapelle dunkel, bis auf die Gestalten des Königs und seiner Geliebten. Sie schwankte ein wenig, als sie sich an Enander wandte. »Majestät, Euer Sohn hat nichts Unrechtes getan und ich auch nicht. Wir stehen in Freundschaft zueinander — mehr nicht. Und ich will nichts weiter von ihm oder Euch als Hilfe für mein Land und mein Volk ... Eure Verbündeten!«
Enander schien irritiert. »Das ... ist nicht das, was ich gehört habe.«
»Von wem?«, fragte Briony. »Bei aller gebührenden Achtung, König Enander, Lady Ananka kann mich nicht leiden, das ist klar, wenn ich auch nicht ahne warum ...« Doch noch während sie das sagte, sah sie Ananka und Krey einen amüsiert-verschwörerischen Blick wechseln und begriff, dass die Gefährtin des Königs noch andere Interessen verfolgte als nur die einer Stiefmutter.
Sie hat irgendeinen Handel mit den Tollys geschlossen,
dachte Briony.
Das Luder hat eigene Pläne.
Nicht mal ihre lodernde Wut vermochte den Eisklumpen zu schmelzen, der sich tief in ihrem Inneren bildete, als ihr klar wurde, wie gründlich sich die Umstände hier in Syan gegen sie gekehrt hatten. »... aber ... aber das ist wohl kaum Grundlage genug für ein Urteil«, fuhr sie fort. »Ruft Euren Sohn zurück. Fragt ihn.«
»Mein Sohn hat an das Wohl des Reiches zu denken«, sagte Enander. »Aber wie ich schon sagte, es gibt noch weitere Zeugen. Feival Ulian, tretet vor und sagt uns, was Ihr wisst.«
»Feival?« Briony war perplex. »Was soll das heißen?«
Der junge Mime hatte immerhin den Anstand oder die schauspielerischen Fähigkeiten, bedrückt auszusehen, als er vortrat und vor Enander auf die Knie fiel. »Das ... das ist schwer für mich, Majestät. Sie ist die Tochter meines Königs, und wir sind lange zusammen gereist und waren befreundet ...«
»Waren? Ich
bin
mit dir befreundetl Was redest du da?«
»... aber was sie getan hat, kann ich nicht länger für mich behalten. Es ist alles wahr — sie hat es mir gegenüber oft genug ausgesprochen. Sie hatte nur eins im Sinn, nämlich Prinz Eneas dazu zu bringen, sich in sie zu verlieben, um über ihn schließlich die Kontrolle über den Thron von Syan zu erlangen. Zuerst hat sie mich mit hineingezogen und auch die anderen Schauspieler als ihre Spione gedungen — ich kann Euch die Abrechnungen zeigen. Und dann hat sie sich den Prinzen vorgenommen. Sie hat es bei jeder Gelegenheit darauf angelegt, ihn auf ihr Lager zu locken, hat ihn mit süßen Versprechungen umgirrt, mir aber unter vier Augen immer wieder gestanden, dass ihr an ihm nichts liegt, nur am Thron von Syan.«
Briony blieb der Mund offen stehen. Sie stand auf, aber einer der Soldaten fasste sie am Arm und hielt sie fest. »Barmherzige Zoria, Feival, wie kannst du mir das antun? Wie kannst du so schreckliche Lügen erzählen ...?« Doch da bemerkte sie erstmals wirklich die erlesenen Kleider, die Feival trug, den Schmuck, den er nicht von ihr hatte, was ihr bisher nie Anlass zur Verwunderung gewesen
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