Die Daemmerung
schluchzend auf die Knie. »Möge Kernios dich sicher geleiten und in seinen Palast aufnehmen, geliebter D-D-Dowan ...«
Briony beugte sich herab, um sie an der Schulter zu berühren; Estir schlug ihre Hand weg. »Lasst das! Die anderen mögen ja vor Euch katzbuckeln, aber das hier war Eure Schuld? Wir waren Euch immer gleichgültig.«
»Estir«, sagte Finn, der zu Briony geeilt war, »du führst dich töricht auf. Die Prinzessin hat nichts damit zu tun, dass ...«
»Sie hat
alles
damit zu tun«, fauchte Estir Makswell. »Aber außer mir sagt niemand was, weil sie eine götterverfluchte Prinzessin ist? Was kümmert mich das? Mein Liebster ist tot — meine letzte Chance? Meine letzte ...« Sie brach schluchzend über der Brust des Toten zusammen. »Dowan ...«
»Kommt weg, Prinzessin«, sagte Finn. »Niemand von den anderen gibt Euch irgendeine Schuld.«
Doch Briony konnte nicht umhin zu bemerken, dass auch keiner von den anderen herbeigekommen war, um sie zu begrüßen — dass Nevin Kennit, Pedder Makswell und die übrigen nur von fern zugeschaut hatten, als wäre sie durch irgendeinen Zauber in etwas ganz anderes, leicht Furchterregendes verwandelt worden.
»Ich werde dafür sorgen, dass er in Layandros ein anständiges Begräbnis bekommt«, erklärte sie Finn. Sie blickte dorthin, wo Prinz Eneas mit seinen Männern wartete, absichtlich in einigem Abstand, um sie nicht bei dem zu stören, was er — und auch sie selbst — für ein Wiedersehen mit Freunden gehalten hatte. »Das ist das mindeste, was ich tun kann.«
»Ich sage Euch noch einmal, macht Euch keine Vorwürfe, Prinzessin. Die Straßen sind derzeit unsicher, und wir haben einen Großteil unseres Lebens unterwegs verbracht. Das hätte auch passieren können, wenn Ihr nicht mit uns gereist wärt.«
»Aber ich
bin
mit Euch gereist, Finn, und ich habe Euch keine andere Wahl gelassen, als mit mir zu reisen. Ohne mich hätte Dowan irgendwo zurückbleiben können — hätte mit Estir einen Bauernhof bewirtschaften können.«
»Und sich die Pest holen oder von seinem eigenen Bullen aufgespießt werden können. Ich weiß nicht genau, ob ich an die Götter glaube, aber das Schicksal ist etwas anderes.« Finn schüttelte den Kopf. »Unser Tod findet uns, Prinzessin — meiner, Eurer und Estir Makswells —, ob wir uns vor ihm verstecken oder nicht. Dowans Tod hat ihn hier gefunden, das ist alles.«
Eine ganze Weile konnte sie nichts sagen. Alles, was sie verloren hatte, alles, worin sie versagt hatte, lastete so schwer auf ihr, dass sie kaum atmen konnte.
»D-danke«, sagte sie schließlich. »Ihr seid ein guter Mensch, Finn Teodorus. Es tut mir so leid, dass ich euch alle in meine Probleme hineingezogen habe.«
Jetzt war es der Stückeschreiber, der schwieg, aber es schien eher ein nachdenkliches als ein aufgewühltes Schweigen. »Kommt noch ein Stückchen mit mir beiseite, ehe Ihr geht, Prinzessin Briony«, sagte er schließlich.
Sie gingen über die Straße und noch etwas weiter, bis sie ein gutes Stück von Eneas und seinen Soldaten entfernt, aber immer noch in deren Sichtweite waren und so weit weg von der trauernden Estir Makswell, dass Briony wieder Luft bekam.
»Wenn Ihr irgendetwas möchtet, sagt es«, sagte Briony. »Lieber Finn, Ihr seid einer der wenigen Menschen auf dieser Welt, die mir nur Gutes erwiesen haben.« Sie konnte nicht vergessen, wie herrisch sie vor kurzem erst zu ihm gewesen war, wie sie ihn mit ihrer Stellung als Prinzessin eingeschüchtert hatte. »Ihr werdet mein Historiker sein, wie ich sagte, aber ich hoffe, Ihr werdet auch immer noch mein Freund sein.«
Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, schien er um Worte verlegen, doch wieder schien es etwas anderes als Emotion zu sein, das ihn schweigen ließ. Schließlich schüttelte er den Kopf, wie um etwas abzuschütteln. »Ich muss mit Euch reden, Prinzessin.«
»Ihr verwundert mich, Meister Teodorus. Reden wir denn nicht gerade?«
»Ich meine ehrlich. In aller Aufrichtigkeit.« Er schluckte. »Ihr habt für Euer Volk so viel gelitten und noch mehr riskiert, Hoheit. Hört mir zu. Die, die Ihr für Eure Freunde und Verbündeten haltet — nun ja, manche sind nicht Eure Freunde. Ganz und gar nicht.«
Etwas ganz Ähnliches hatte Dawet damals in Südmark zu ihr gesagt, vor einer Ewigkeit. In einer anderen Welt, wie es schien. »Wie meint Ihr das? Ich will mich nicht über Euch lustig machen, aber mir fällt kaum jemand ein, der das Vertrauen meiner Familie
nicht
enttäuscht
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