Die Daemmerung
ehrlich gesagt, auch gar nicht wollen. Wir sind keine Kämpfer, aber die Götter wissen, dass vor Euch Kampf liegt.« Finn senkte den Kopf, als könnte er ihr nicht in die Augen blicken. »Und ... weil Ihr gut zu mir wart, Prinzessin. Ich mag Euch. Ich wäre froh, Euch als Freundin betrachten zu dürfen — nicht nur wegen der Vorteile, die Verbindungen zum Königshaus bringen. Einst konnte ich mir einreden, ich hätte mich vielleicht geirrt und es ginge mich ohnehin nichts an. Aber jetzt ... nun ja, jetzt kenne ich Euch zu gut, Briony Eddon. Prinzessin. Das ist die Wahrheit.«
»Ich ... ich muss nachdenken.« So allein sie sich schon die ganze Zeit gefühlt hatte, seit ihr Zwillingsbruder ins Feld gezogen war — das hier war schlimmer. Die Welt, ohnehin schon gefährlich und verwirrend, hatte jetzt keine Mitte und keinen Sinn mehr. »Ich muss nachdenken. Bitte lasst mich allein.«
Er verbeugte sich und ging. Und als Prinz Eneas zu ihr kam, weil er spürte, dass etwas nicht stimmte, winkte sie auch ihn weg. Die Gesellschaft anderer Menschen war kein Trost. Nicht jetzt jedenfalls. Und vielleicht nie wieder.
38
Erobererheere
Es gebe, so heißt es, noch immer einige Menschen mit Qar-Blut in den Adern, vor allem in den Landen rings um den sagenumwobenen Berg Xandos auf dem Südkontinent und bei den Vutten und Abkömmlingen anderer Völker, die einst im hohen Norden lebten. Wie viele Menschen diesen Blutsanteil in sich tragen und welche Auswirkungen das auf sie hat, finde ich leider in keiner gelehrten Schrift dargestellt.
Eine Abhandlung über die Elbenvölker Eions und Xands
Olin Eddon stand an der Reling. Er war an einen seiner Bewacher gefesselt, und zwei weitere hielten sich ganz in der Nähe. Der Autarch mochte sich ja keine Sorgen machen, was ein verzweifelter, zum Tode verurteilter Mann tun könnte, aber Pinnimon Vash machte sich welche und hatte inzwischen befohlen, dem Nordländerkönig ständig irgendeine Art von Fesseln anzulegen. Als mindestes könnte Olin über Bord springen und so durchkreuzen, was auch immer Vashs Herr mit ihm vorhatte. Warum Sulepis das nicht befürchtete, ahnte Vash nicht, obwohl der Autarch sich ja generell verhielt, als wäre er unfehlbar. Bislang hatte den Goldenen noch nichts widerlegt, aber Vash wusste aus langjähriger Erfahrung: Wenn etwas schief ginge, hätte er die Schuld zu tragen, nicht sein Gebieter.
»Ihr seht nicht wohl aus, Majestät«, sagte Vash.
»Es geht mir nicht gut.« Der Nordländer war noch bleicher als sonst und hatte Schatten um die Augen. »Ich schlafe in letzter Zeit schlecht. Ich habe viele Albträume.«
»Das tut mir leid.« Welch seltsames Tänzchen ihn der Autarch hier aufzuführen zwang, dachte Vash. Jeder an Bord wusste, dass dieser Mann todgeweiht war, und doch erwartete der Autarch, dass Olin nicht nur höflich behandelt wurde, sondern so, als wäre alles völlig normal. »Gut, dass Ihr an Deck gekommen seid. Die Seeluft vertreibt ja bekanntermaßen viele Gemütsbeschwerden.«
»Diese nicht, fürchte ich.« Olin schüttelte den Kopf. »Sie werden sich verschlimmern, je näher ich meinem Zuhause komme.«
Vash wusste nicht, was er sagen sollte — nach allem, was er an Gesprächen zwischen Olin und seinem eigenen Herrn belauscht hatte, war er sich ja bei beiden nicht mehr sicher, ob sie noch ganz richtig im Kopf waren. Er blickte zu einer Burg auf der Felsküste hinüber. Auf dem Turm wehte eine Fahne, aber sie war zu weit weg, um mehr zu erkennen als die Farben: Rot und Gold. »Kennt Ihr diesen Ort?«
»Ja — Landsend. Es ist der Heimatsitz eines meiner ältesten und verlässlichsten Freunde.« Olins Lächeln war eher eine Grimasse — Vash konnte sehen, dass der Mann einen heftigen Schmerz überspielte, doch ob dieser Schmerz körperlicher Art war oder durch die Erinnerung verursacht, wusste er nicht zu sagen. »Ein gewisser Brone. Er war in mancherlei Hinsicht
mein
Oberster Minister, so wie Ihr der des Autarchen seid.«
Und ich möchte wetten, Ihr habt ihn besser behandelt, als der Autarch mich, den er für wenig mehr als ein nützliches Haustier hält.
Seine eigene Bitterkeit überraschte Vash. »Ah ja. Würdet Ihr es vorziehen, allein zu sein?«
»Nein, Eure Gegenwart ist mir willkommen, Minister Vash. Im Gegenteil, ich hatte sogar gehofft, wir würden ein wenig Zeit finden, so miteinander zu reden ... unter vier Augen.«
Vashs Nacken prickelte. »Was soll das heißen?«
»Nur, dass ich glaube, wir beide haben mehr gemeinsame
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