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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Schale geschlürft. Fleisch und ein Feuer, um es zu braten, schienen ein phantastischer Luxus, etwas, woran er sich kaum noch erinnern konnte.
    Alle Prinzen sollten ein Jahr jenseits der Schattengrenze umherirren müssen,
befand er.
Das würde sie wertschätzen lehren, was sie haben. Bei den Göttern, das würde es.
    Eine Bewegung ganz in der Nähe ließ ihn zusammenschrecken. Er blickte auf und sah etwas Weißes hinter einem Baum verschwinden, dann ein Stück tiefer im Wald einen weiteren hellen Fleck, der sich bewegte.
Näher als bisher,
musste er feststellen.
Vielleicht glauben sie ja, wir hätten haltgemacht, weil ich verletzt bin.
Er hob einen Stein auf und begann, demonstrativ die Spitze seines zerbrochenen Speers zu schärfen. Er hatte sich ein Stück Stoff vom Ärmel gerissen und es um den Speergriff gewickelt, damit die Waffe besser zu halten war, wünschte sich aber dennoch sehnlichst ein Schwert oder wenigstens ein richtiges Messer.
    Skurn kam aus den Bäumen herabgeflattert und schlug immer noch schwerfällig mit den Flügeln, nachdem er zu Barricks Füßen gelandet war. »Vier«, keuchte er. »Oh, schmerzen verflixt, die Flügel. Ist so schnell geflogen, unsereins, Euch Bescheid zu sagen. Vier Stück, und sie haben ein Netz.«
    »Ich habe sie gesehen«, sagte Barrick ruhig und zeigte mit dem Daumen. »Da drüben.«
    »Da? Nein, sind dort, diese, direkt vor uns. Wenn Ihr auch welche gesehen habt, sind das andre.«
    Im Aufspringen machte Barrick das Zeichen der Drei. »Verfluchte Bastarde! Sie wollen uns umzingeln.« Wie ein jähes Frösteln überkam ihn die Hilflosigkeit, die er auch am Rand des Kolkansfelds empfunden hatte, in dem Moment, als er und seine Gefährten erkannten, dass die Zwielichtler sie überlistet hatten — dass sie nicht flohen, sondern kehrtgemacht hatten und jetzt von allen Seiten auf sie eindrangen. Die Entsetzensschreie der Männer um ihn herum, als sie sich von Jägern in Gejagte verwandelt fanden, würden ihm zeitlebens in den Ohren klingen. »Komm?«
    Er drehte sich um neunzig Grad und rannte los, weg von dort, wo laut dem Raben die vier Seidenwickler mit dem Netz warteten, aber auch weg von denen, die er gesehen hatte. Gleich darauf flatterte Skurn an ihm vorbei. »Hinter uns, viele von ihnen?«, schrie der Vogel.
    Barrick drehte sich um. Ein halbes Dutzend der seidenumhüllten Kreaturen wieselten Äste entlang oder eilten auf ihre bizarre hüpfende Art über den Waldboden, halb Insekten, halb Menschenaffen.
    Er drehte sich gerade noch rechtzeitig wieder zurück, um vor sich zwei weitere zu erblicken, die sich zwischen zwei knorrigen alten Bäumen aufrichteten und etwas herumwirbelten, das aussah wie ein Fischernetz. Barrick blieb nur ein winziger Augenblick, um sich zur Seite zu werfen — er fühlte das Zupfen an seinem Arm, als einer der klebrigen Stränge seine Haut streifte. Skurn musste scharf emporziehen, um dem Netz zu entgehen, und verschwand im oberen Geäst.
    Weitere helle Schemen glitten zwischen den Bäumen hindurch. Der unebene Boden war tückisch, und Barrick musste aufpassen, wo er hintrat, aber er glaubte schon auf den ersten flüchtigen Blick mindestens ein Dutzend Seidenwickler auszumachen. Die Kreaturen versuchten jetzt, vor ihm eine bewegliche Mauer zu bilden, in der Mitte langsamer vorzurücken als an den Seiten: Gleich würde er umringt sein.
    »Nein?«, schrie er und kam schliddernd zum Stehen, wobei er nach einem Ast griff, um nicht zu fallen. Für einen Moment hoben seine Füße vom Boden ab, und das Gewicht an seinem verkrüppelten Arm ließ einen Schmerzblitz durch Ellbogen und Schulter bis in seinen Nacken zucken. Vier oder fünf weitere Seidenwickler, die er noch gar nicht gesehen hatte, kletterten von Bäumen — ein Dutzend Schritte mehr, und er wäre genau in sie hineingerannt. »Zurück, Vogel!«, rief Barrick in der Hoffnung, dass Skurn ihn hörte, machte dann kehrt und rannte wieder dahin, wo sie hergekommen waren — bergauf Der Hang war steiler, als er ihn in Erinnerung hatte, und ihm blieb keine andere Fluchtrichtung — Zeit, ans Kämpfen zu denken.
»Wenn du sonst keine Wahl mehr hast«,
hatte Shaso immer gesagt,
»bestimme wenigstens selbst die Stelle, wo du dich
zum
Kampf stellst. Lass sie dir nicht vom Feind aufzwingen.«
    Shaso.
Kurz überschwemmten ihn Trauer, Schmerz und sogar Panik, nicht beim Gedanken, hier im Wald zu sterben, sondern weil ihm aufging, wie viele Dinge er nie wissen, nie enträtseln, nie verstehen

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