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Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Titel: Die Daemonen 01 - Die Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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schwerste von ihnen über vierhundert Schritt weit, bis er krachend ins Meer einschlug.
    Das Meer wich zurück wie bei einer beschleunigten Ebbe. Der schief im Wasser dümpelnde Viermaster wurde von der Druckwelle erfasst und löste sich in die zigtausend Planken auf, aus denen er bestand. Selbst das auf einer Klippe aufgespieβte kleinere Kriegsschiff zitterte noch und begann, Teer zu schwitzen. Vom Heereskoordinator Eiber Matutin blieb nichts weiter übrig als vier Backenzähne, die Fuβnägel der beiden groβen Zehen und ein in den Sand hineingebrannter formloser Schatten.
    Die meisten der sich am Strand aufhaltenden Soldaten hatten mehr Glück, weil sie durch Dünen geschützt waren. Sie fanden sich lediglich in einer Art Sandsturm wieder und zogen sich schreiend und von Muschelsplittern zerschnitten zu den Booten zurück, die der Druckwelle zu wenig Masse und zu viel Beweglichkeit entgegengesetzt hatten, um ebenfalls in ihre Bestandteile aufgelöst zu werden. Schon nach kurzer Zeit tanzten mehrere überbemannte Boote in der Brandung. Niemand kommandierte und koordinierte mehr. Die Boote rammten sich gegenseitig, als wäre nicht genügend Meer für alle da. Viele Soldaten konnten sich nicht an den Dollen halten, wurden von den aufgebrachten Wellen nach unten gesogen und viel zu lange behalten. Andere übergaben sich im manischen Auf und Ab des Wellengangs. Zwei beteten, einer zur Göttin, der andere zum althergebrachten Gott der Kirchen und Kapellen.
    Irathindur und Gäus rauften miteinander wie junge Raubtiere und zogen dabei die gesamte Insel Kelm in Mitleidenschaft. Bäume bogen sich, bis ihre Kronenüber den Boden wischten. Sträucher und Büsche verwandelten sich in rollendes Wüstengras. Felsen bildeten erst Risse aus und barsten dann wie Glas. Eine Süβwasserquelle schlug zu Essig um. Es regnete zerfetzte Vogelfedern. Mähnenschafe und Bergziegen gerieten in Brand oder versanken in verflüssigtem, öligem Erdreich. Ein Spalt tat sich auf wie eine klaffende Wunde und sprühte feinen Feuerdampf hervor. Auch das Wetter irrlichterte über der Insel. Gäus brauchte sich dafür nicht eigens anzustrengen – das Wetter fühlte sich von ihm nun angezogen wie von einer genau andersherum gepolten elektrischen Ladung, wie ein funkensprühendes, regnendes Hündchen folgte es ihm auf Schritt und Tritt mit Rumoren und Geblitze.
    Das rasende Balgen zweier unbewusster Kreaturen ging in einen aufrechten Faustkampf über.
    Die Umrisse der beiden Dämonen waren nun verfestigter, beim vorangegangenen Raufen waren sie beinahe flüssig gewesen, beinahe ein einziger, schillernder, formbarer Leib. Nun standen sich golden-glattes Metall und anthrazit-stachelige Härte unerbittlich gegenüber. Gäus schien klar im Vorteil. Er besaβ sechs Fäuste zum Zuschlagen, Festhalten und Abwehren und drei Beine zum Treten. Irathindur jedoch machte diesen Nachteil durch Wendigkeit wett. Sein Gold verstörte wie Quecksilber. Seine spindeldürre Gestalt war unglaublich schwer zu treffen, und die langen Haare verwirrten die empfindlichen Tastorgane Gäus’ zusätzlich. Die Baronessenhaare täuschten einen Körper vor, wo keiner war, Bewegungslinien, wo Stillstand herrschte, Verwurzeltsein in Raserei.
    Dreimal gelang es Gäus, Irathindur voll zu treffen. Jedes Mal spürte Irathindur den Treffer, als sei er eine Glocke, die von einem Klöppel zum Dröhnen gebracht wurde. Sein Gold wurde dann stumpf und bekam Dellen. Aber auch Gäus bereute jeden dieser Treffer, denn er brach sich dabei drei seiner Hände und kämpfte nur noch dreihändig.
    Irathindur traf Gäus an die vierzigmal. Ein einzelner Treffer verursachte kaum Schaden an Gäus’ dunkler Robustheit, doch in der Summe zeigten sie Wirkung. Da Irathindur sich schneller bewegte als Gäus, musste Gäus sich stark aufs Abwehren konzentrieren, wollte er nicht wieder und wieder von golden glühendem Schmerz erhellt werden. Jedes Abwehren jedoch war ebenfalls ein Kontakt. Gäus spürte, wie ihm langsam seine schattenfarbene Sicherheit abhanden kam. Die Todesfurcht meldete sich wieder. Jenes schlotternde Geflecht, das ihn wie Adern durchzog und erfüllte.
    Sein Geist – vielleicht war es auch Tenmacs Geist – wunderte sich darüber, wie es soweit hatte kommen können, dass zwei Verbündete, zwei Gleichartige nun jenseits aller Worte waren. Warum konnten sie nicht mit einander reden und einen neuen Vertrag finden, der für sie beide hinnehmbar war? Würde der Gramwald sich nicht wieder regenieren

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